Fluch der 100 Pforten
zog es nicht mehr hoch. Es hatte sowieso nichts genützt. Er nahm einen tiefen Atemzug dreckige Luft. Es war Zeit zu handeln!
Das Gebäude erstreckte sich über einen ganzen Straßenblock. Henry taxierte die Straße und die beiden Kreuzungen an den Ecken. Er wollte versuchen, auf dem Sims über die gesamte Vorderfront bis an die Seite des Hauses zu gelangen – sofern seine Beine das mitmachten. Vielleicht gab es dort Feuertreppen oder eine Notleiter oder so etwas. Falls seine Knie vorher weich wurden oder das Sims nicht mehr weiter führte, würde er sich nach einem offenen Fenster umsehen müssen. Oder eines einschlagen.
Henry schob sich seitlich voran. Aber ziemlich schnell ging ihm auf, dass diese Art der Fortbewegung zu lange dauerte. Wenn er so weitermachte, erreichte er die Seite des Gebäudes nicht vor dem nächsten Morgen. Gleichmäßig atmend drehte er sich ein wenig und stellte seine Füße hintereinander auf den Sims. Um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, musste er seine Schultern parallel zur Wand halten, sich mit einer Hand vor seinem Körper an der Wand abstützen und mit der anderen dahinter. Auf diese Weise konnte er wenigstens seine Füße voreinander setzen und durch das Gehen wirkte das Gebäude auch weniger bedrohlich.
Etwa alle sechs Meter musste er sich an ein paar Fenstern vorbei ducken und jedes Mal scheuerte dann beim Vorbeischieben
sein Rucksack an seinen Knien. An diesen Stellen kam er nur langsam vom Fleck. Zwischen den Fenstern aber kam er fast so schnell voran wie auf einem Bürgersteig.
Er drückte sich unter den letzten Fenstern vorbei und erreichte die erste Ecke. Dort richtete er sich auf, schob sich so weit nach vorne, wie es ging und spähte um die Ecke herum. Die Straße dort unten war alles andere als eine ruhige Seitenstraße. Leider konnte Henry nicht sehen, wie weit sich das Gebäude an dieser Seite nach hinten erstreckte, denn das Sims endete hier. Vorerst zumindest. Ein riesiges Metallrohr – grün gestrichen und von einer schwarzen Kruste überzogen – war an der Wand befestigt. An dieser Stelle war das Sims für das Rohr unterbrochen. Henry schob sich näher heran und berührte das Rohr.
Es war warm, beinahe schon heiß. Henry blickte nach oben und sah, wo es die beiden Simse der darüber befindlichen Stockwerke durchschnitt und wo es Rauch in die Luft blies. Neben diesem Rohr verliefen noch zwei weitere Rohre, von denen jedes so dick wie ein großer Baum war.
Henry schob seine Hand hinter das erste Rohr, zwischen das warme Metall und die Wand, und beugte sich vor. Das Ende des letzten Rohres verschwand knapp zwei Meter von Henry entfernt in der Wand. Das mittlere Rohr endete ein Stück unterhalb, in der Wand der ersten Etage. Das Rohr, das direkt vor Henry lag, führte bis ganz hinunter ins Erdgeschoss, mündete aber immer noch ein gutes Stück über den Köpfen der Fußgänger in die Wand.
Henry befühlte die Oberfläche der ersten Röhre. Sie war nicht allzu glatt. Zuerst ging ein bisschen Ruß ab, aber
die darunter liegenden alten Schichten waren ganz fest angetrocknet. Und auch an den Stellen, wo das Metall frei lag, kam es ihm nicht besonders rutschig vor. Das Rohr bestand aus mehreren Teilen. Nach etwas mehr als einem Meter kam immer ein Wulst, vielleicht gut zwei Zentimeter stark, an dem die Teile mit einer Schelle zusammengefügt waren.
Eine richtige Leiter war das natürlich nicht. Aber vielleicht klappte es ja trotzdem? Henry sah auf die Straße hinab. Er befand sich ein ganzes Stück höher als der Taubenschlag an der Scheune in Kansas. Außerdem endete dieses Rohr wahrscheinlich noch viel zu hoch über dem Kopfsteinpflaster. Er überlegte, ob er vielleicht springen konnte, wenn er sich vom untersten Punkt herunterließ.
Aber auch wenn das nicht ging – vielleicht kam er auf diesem Weg wenigstens zu einem tiefer gelegenen Sims, sodass er in ein Fenster im Erdgeschoss klettern konnte.
Mehr als zwanzig und gefühlte dreihundert Meter über dem Erdboden, schnallte Henry sich seinen Rucksack wieder auf den Rücken, schob seine Hand noch ein Stück weiter hinter das warme Rohr, biss sich auf die Lippen und schwang seinen nackten Fuß darum herum. Zwischen den Rohren gab es kein Sims, aber es gelang ihm, seine Hände so zu platzieren, dass er seine Brust an das rußige, warme Metall drücken konnte.
Jetzt winkelte er sein Standbein ein wenig an und tastete mit dem anderen nach einer Stelle, wo er es aufsetzen konnte. Tiefer und tiefer ging er in
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