Fluch der 100 Pforten

Eine Insel in der Ferne stieg und sank mit dem Horizont. Er schloss die Augen und schluckte. Ein Windstoß blies das Haar an seinem Hinterkopf auseinander und biss ihm in den Nacken. Er erzitterte, als das Segel flatterte und das Boot eine Welle hinauffuhr und wieder hinunterschoss.
    Plötzlich öffnete sich der graue Sack neben ihm und ein sehr kleiner korpulenter Mann sprang mit einem Schrei heraus. Er traf Henry mit dem Fuß am Ohr und eilte zur Reling hinüber, wobei er das Schaukeln des Bootes geschickt ausglich.
    Henry duckte sich und schützte seinen Kopf.
    Die drei Zauberer klammerten sich an die Reling und den Mast.
    Henry konnte sehen, wie Flammen unter den Füßen des
Elfs hervorzüngelten und sich auf der Reling ausbreiteten. Die Zauberer schrien und zogen ihre Hände weg, auch wenn die Gischt den Großteil der Flammen gleich wieder löschte.
    Vom hinteren Teil des schwankenden Bootes eilte der vierte Zauberer nach vorn und packte den dicken kleinen Mann.
    »Elfen versinken wie Steine«, sagte er. Seine Miene war so hart wie seine Stimme. »Entweder du verziehst dich wieder in deinen Sack, oder du ertrinkst.«
    Der Elf verdrehte die Augen zu einem Schielen, streckte die Zunge heraus und rollte sie zusammen. Unter seinem feuchten und zerzausten braunen Haar standen seine ziemlich fleischigen Ohren weit ab.
    Als der Zauberer die Hand hob, konnte Henry bereits die Macht der Worte fühlen, obwohl sie der Mann noch nicht mal ausgesprochen hatte. Jede Faser seines Körpers spannte sich, als wenn er selbst einen Schlag erwartete.
    Dann entwich der Fluch dem Mund des Mannes und wurde in der Luft zu Donner. Durch die erhobene Hand des Zauberers geleitet, riss er ein Stück der Reling heraus und ein Loch in die Bootswand. Genau an der Stelle, wo der Elf gestanden hatte.
    Henry blinzelte. Der Elf hockte mit geblähten Wangen auf dem Boden des Bootes und hatte sich zu einer festen kleinen Kugel zusammengerollt. Die Luft um ihn herum flimmerte.
    Die Männer sahen sich nach dem Elf um, während der mit rotem Gesicht auf den Mast zukroch. Als er ihn erreicht hatte, kletterte er schnell hinauf. Henry schielte zu den verdutzten Zauberern hinüber. Der Jüngste von ihnen konnte den Elf offenbar sehen, und er warf ein paar verstohlene Blicke hinauf.
Die anderen klammerten sich an der Reling fest und sahen im Boot umher.
    Der junge Zauberer sah Henry an und deutete mit seinem Kopf auf den Mann, der Henry am Nächsten stand. Dann sah er wieder den Mast hinauf und zeigte in die Höhe. »Da oben!«, rief er.
    Die Männer hoben die Köpfe. Der große Kahlköpfige lehnte sich rücklings gegen die Reling und seine Kapuze rutschte nach hinten. Unvermittelt versetzte ihm der kleinere Zauberer einen Stoß in die Rippen, sodass er ins Meer stürzte. Der Schwarzbart wandte sich überrascht um, aber ein Messer stach ihm in die Brust und verschwand darin bis zum Griff. Seine Beine knickten ein und er fiel zu Boden.
    Nun war nur noch einer übrig, der Zauberer mit der eisigen Stimme. Er sah den kleineren Zauberer an und grinste.
    »Monmouth«, sagte er ruhig. »Wenn du ein Messer brauchst, um zu töten, bist du in einer Küche besser aufgehoben.«
    Henry nahm alle Kraft zusammen und rappelte sich auf. Der Zauberer sah ihn und feixte mit zusammengekniffenen Lippen. Henry spürte, wie sich etwas aufbaute, Spannung, Druck, irgendwas.
    Der Schlag kam völlig unvermittelt, ohne ein Wort. Und er entsprang dem Inneren des Zauberers.
    Das Boot erzitterte, das Holz knackte und Monmouth duckte sich hinter den Mast, wurde aber in den Bug zurückgeworfen. Henry wollte auf den Mann losgehen, doch eine erhobene Hand hielt ihn ab. Sein Hals war wie zugeschnürt und er konnte sich nicht mehr von der Stelle bewegen. Doch dann
wurde sein Körper nach hinten gebogen, dass er meinte, sein Rückgrat wollte bersten.
    Der Zauberer lachte, und nun landete der Elf auf seinem Kopf. Er umklammerte den Hals des Mannes mit den Füßen und gemeinsam rollten sie zu Boden.
    Henry fasste sich ein Herz und trat auf die beiden zu, um sie zu trennen. Aber er erstarrte vor Verblüffung. Was er dort sah, waren nicht nur zwei Körper. Feuer und Frost und sogar Blitzschlag formten sich über ihnen und vergingen, bevor sie einander berührten. Auf dem Boden des Bootes verwandelte sich das Wasser in Eis. Henrys Augen weiteten sich und er sah noch mehr. Die Kraft des Elfs war grün. Spinnwebartige Netze wogten um ihn und den Körper des Zauberers herum. Sie ballten sich