Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Christopher war ein Racheengel, geboren für die Jagd nach Kreaturen wie mir.
Ich schloss die Augen, als sein himmlischer Gewitterduft mich umhüllte. So war es einfacher, die Illusion aufrechtzuhalten, dass nicht helle Jadeblitze, sondern warmes Smaragdgrün in seinen Augen schimmerte. Ich liebte ihn, das würde sich niemals ändern – daran konnte ich mich festhalten.
Ich fror erbärmlich, als Christopher mit mir über schneebedeckte Berge flog. Seine Nähe reichte nicht aus, um meinem entkräfteten Körper die Wärme zurückzugeben, die ihm fehlte. Doch für mich gab es nichts, das ich mir mehr wünschte, als bei ihm zu sein.
Der Flug nahm kein Ende – ein endlos schöner Traum, der nicht in Erfüllung ging. Ich erkannte das weiße Gebäude neben dem See. Christopher steuerte auf das Schloss der Engel zu. Tränen brannten in meinen Augen, die ich nicht weinen konnte. Die Dogin und ihr Rat hatten ihm verboten, es zu betreten. Warum brachte er mich hierher und nicht zu ihnen? Hatte Aron ihm alles verraten? Oder flog Christopher zum Schloss, weil Aron mit ansehen sollte, wie er mich tötete?
Anstatt zu landen, schwebte Christopher über das weiße Märchenschloss und hielt auf die Insel im See zu. Sie lag hinter dichtem Nebel verborgen, der mir Angst einjagte. Die Totenwächterin erschien mit Nebel. Brachte er mich zu ihr? Ins Reich der verlorenen Seelen?
Christopher drückte mich kurz an sich. Dennoch entschlüpfte mir ein gequälter Schrei, als wir den Nebel durchflogen – er war voll schmerzhafter Engelsmagie. Christophers Lippen näherten sich meinen. Ich hielt den Atem an. Doch er zuckte zurück und küsste mich nicht in Ohnmacht – vielleicht wusste er, dass es nicht funktionieren würde.
Erneut spürte ich unweinbare Tränen. Christopher hätte mich endlich küssen können. Doch er war vor mir zurückgewichen. Erliebte mich nicht mehr. Wie auch, nach allem, was ich getan hatte und was ich jetzt war?
Ein Engel schien ich nicht zu sein. Sonst hätte ich die Barriere unbeschadet passieren können. Doch ein Schatten war ich auch nicht. Aber was dann? Ein Mensch? Zerbrechlich genug fühlte ich mich. Oder war ich etwas anderes? Einer von Sanctifers dunklen Engeln? Dann hätte ich lederne Flügel gehabt, doch ich besaß gar keine Flügel mehr.
Ich klammerte mich an Christopher, als er mich in die kleine Fischerhütte am See trug. Das einfache Bett, auf das er zusteuerte, nahm einen großen Teil des winzigen Raums ein. Christopher wollte mich darauf ablegen, doch ich konnte ihn nicht gehen lassen und hielt mich an ihm fest. Mein Traum sollte noch nicht zu Ende sein.
Mit malmenden Kiefern löste er meine Finger von seinem Nacken und drückte für einen schmerzhaften Moment meine Handgelenke. Eine Warnung, das nicht noch einmal zu versuchen. Dann steckte er sie samt dem Rest von mir unter die Bettdecke.
Ich presste meine eisigen Lippen zusammen und schwieg – wie er. Ich fror, war müde und wollte in meinen Traum flüchten und nicht gegen Christopher kämpfen. Niemals wieder.
Doch sosehr ich mir auch wünschte, ein wenig Frieden zu finden, es gelang mir nicht, einzuschlafen. Jedes Mal, wenn ich kurz davor stand, schreckten mich die Erinnerung an meine brennenden Flügel und die Angst, Christopher könnte verschwunden sein, wieder auf.
»Wo hast du es versteckt?« Mich fröstelte. In Christophers Stimme lag mühsam unterdrückter Zorn.
»Was … was meinst du?«, antwortete ich leise, unfähig, meine Stimme zu erheben.
»Versuche nicht, mir etwas vorzumachen! Ich kenne deine Grenzen. Du müsstest schon längst das Bewusstsein verloren haben. Wo hast du den Bann versteckt? Der, der verhindert, dass du das Bewusstsein verlierst«, konkretisierte Christopher seine Frage.
»In meiner Nase«, flüsterte ich und wünschte mir nichts sehnlicher, als die Kapsel loszuwerden und von Christopher geküsst zu werden – selbst wenn es nur dazu diente, mich außer Gefecht zu setzen. Doch es benötigte keinen Kuss, mich zum Einschlafen zu bringen. Keine Sekunde, nachdem Christopher die Kapsel entfernt hatte, fiel ich in einen dornröschenähnlichen Tiefschlaf, der weder Erinnerungen noch Träume zuließ.
Mein heftig zitternder Körper weckte mich. Panik überfiel mich. Bekleidet mit einem Pyjama, kauerte ich unter einer dicken Decke. Es lag nicht an mangelnder Fürsorge, dass ich fror. Die Kälte in mir weitete sich aus. Ich musste gegen sie ankämpfen, aber ich wusste nicht, wie.
Starr vor Angst irrte mein Blick
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