Fluch der Engel: Roman (German Edition)
bin?«
»Was du bist, weiß ich ziemlich genau. Ich will nur wissen, was passiert ist«, antwortete er dicht neben meinem Ohr.
»Dann frag Susan. Schließlich können Engel wie sie nicht lügen.«
»Im Gegensatz zu dir?« Aron hatte mich zu sich umgedreht. Seine Augen bohrten sich in meine. »Was ist mit deinem Rücken los?«, fragte er gefährlich leise.
»Nichts«, log ich.
Arons Miene verdüsterte sich. »Wenn das so ist, kannst du gehen«, antwortete er und wies zur Tür.
Die Enttäuschung in Arons Stimme hielt mich auf. Sein Vertrauen für einen Engel zu verlieren, der mich hasste, war ein hoher Preis – doch Susan den letzten Funken Hoffnung auf eine glückliche Zukunft zu rauben, auch.
»Aron, ich … ich möchte zuerst mit Susan reden. Allein«, bat ich.
Arons Augenbrauen wanderten nach oben. Fragend sah er erst mich und danach Susan an. Ich folgte seinem Blick. Der Mund eine zitternde Linie, die Augen vom Weinen gerötet, kauerte Susan auf dem orangegelben Sessel. Vor lauter Angst wagte sie es nicht, zu uns aufzusehen. Erst als Aron vor ihr in die Hocke ging und vorsichtig ihr Kinn anhob, blickte sie ihn an – unfassbar traurig und unendlich verliebt. Selbst ein Gefühlstauber hätte bemerkt, was Susan für ihn empfand.
Aron ging nicht darauf ein. Anstatt Ekin und mich wegzuschicken, erklärte er ihr, dass sie gleich mit mir allein sein würde.
Susans Panik erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt. Krampfhaft klammerte sie sich an Aron fest. Doch er wusste, wie er sich am schnellsten von ihr lösen konnte: mit ein paar geflüsterten Worten und einem aufmunternden Blick. Hätte Christopher mich in diesem Moment alleingelassen, wäre ich ihm hinterhergerannt. Auch darin unterschied sich Susan von mir: Sie blieb sitzen. Mit schreckgeweiteten Augen verfolgte sie, wie Aron und Ekin aus ihrem Zimmer traten.
»Ich verlasse mich darauf, sie wohlbehalten vorzufinden«, raunte Aron mir zu, bevor er die Tür hinter sich zuzog.
Ich schluckte den bitteren Satz, es gab Wichtigeres als mein Gefühlsleben. Äußerst langsam näherte ich mich dem Engel, der mir sein Schwert über den Rücken gezogen hatte. Von ihrer Unerschrockenheit war nichts geblieben. Getrübte blaue Augen starrten ängstlich in meine.
»Was auch immer ich dir angetan habe«, wisperte sie. »Bitte, verzeih mir!«
Mein Erstaunen war echt. Wusste Susan tatsächlich nicht mehr, was passiert war? Oder hatte sie die Erinnerung verdrängt? Doch im Grunde war es egal. Mir lag nichts daran, dass sie bestraft wurde. Sie hatte meinetwegen schon genug durchgemacht. Denn obwohl auch ich nur ein Opfer von Sanctifers Rachefeldzug gegen Christopher war, fühlte ich mich ihr gegenüber schuldig. Zumal ich meine Liebe gefunden hatte, aber ihrer im Weg stand.
»Das brauche ich nicht«, beruhigte ich sie. »Es ist nichts passiert, das ich dir verzeihen müsste.«
»Aber … aber ich …« Susan brach ab. Ihr Blick wanderte nach innen. »Ich habe geträumt, dass ich dich getötet habe, und das Entsetzen in deinen Augen gesehen, als ich zustieß.«
»Aber wie du siehst, lebe ich noch«, unterbrach ich ihre wirklichkeitsnahe Schilderung.
»Ja«, flüsterte sie. »Das schmälert meine Schuld. Doch der Wunsch, dich sterben zu sehen, war echt.« Tränen tropften in ihren Schoß.
»Und, möchtest du noch immer, dass ich … sterbe?« Dass sie sich meinen Tod wünschte, war heftig.
Susans himmelblaue Augen weiteten sich. Panik stand in ihrem Gesicht. »Nein! Ich … seit ich davon geträumt habe, weiß ich, dass du nicht sterben darfst. Christopher braucht einen Engel wie dich – und die anderen Engel auch.«
Susans Geständnis wärmte meine Seele. Ihr Schwerthieb war vergeben und vergessen. Doch der Schmerz, den sie empfand, würde weiterlodern, bis sie ihre Vergangenheit hinter sich gelassen hatte.
Wie alle Schutzengel durfte sie ein paar Wochen nach ihrem Tod ihre Familie noch einmal sehen – unbemerkt natürlich. Doch das hatte bei Susan anscheinend nicht gereicht, damit sie ihr altes Leben hinter sich lassen und ein neues beginnen konnte. Christopher wäre ihr Problem aufgefallen, wenn er ihr Tutorat nicht meinetwegen abgegeben hätte. Seine Aufgabe zu übernehmen und Susan zu helfen erschien mir richtig, zumal ich mir sicher war, den Grund für ihr Festhalten an der Vergangenheit zu kennen. Und dazu musste ich nur Arons Zustimmung einholen und Susan bei meinem Abiball einschleusen, der eigentlich ihrer war.
Arons erster Blick, als ich die Tür
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