Fluch der Engel: Roman (German Edition)
meine Einwilligung niemals gegeben. Aber du hast recht. Susan hat das Schloss und den See, in dem sie ertrank, jeden Tag vor Augen. Gemeinsam mit ihren Freunden Abschied von ihrer Schulzeit zu nehmen, wird ihr helfen, ihre Vergangenheit loszulassen. Wenn Susan ihre alten Freunde noch einmal sehen möchte und du es schaffst, Christopher zu verheimlichen, dass sie für den Schnitt auf deinem Rücken verantwortlich ist, werde ich ihr die Maske weben.«
Auch Aron verstand etwas von Erpressung. Christopher hätte Susan niemals etwas getan, nur weil sie die Beherrschung verloren und mich deshalb aus Versehen verletzt hatte. Aron wollte testen, ob ich es schaffte, Christopher zu belügen.Noch bevor ich die Wandtür unter der Treppe berührte, wurde sie aufgerissen. Mit hell blitzenden Augen stand Christopher vor mir.
»Was ist passiert!?«, knurrte er.
»Nichts, ich …«
»Lüg mich nicht an! Ich konnte deinen Schmerz fühlen, als wär’s mein eigener.« Ungeduldig drängte Christopher aus dem Schloss Richtung Burghügel, wo er sein Verhör fortsetzte. »Was hat Aron mit dir gemacht?!«
»Trainiert, was sonst?«, erwiderte ich gelassen.
»Und mit welchen Waffen?« Christophers Stimme bebte vor unterdrückter Wut. Kein Wunder, dass Aron mich nicht in seine Pläne einweihen wollte. Es war Christopher, der versucht hatte, in meinen Kopf zu schauen. Gut, dass ich schon immer schwer zugänglich war, wenn ich nicht gerade träumte. Doch solange ich mich nicht vollständig vor Christopher verschließen konnte, ermöglichte ihm seine Bindung an mich, mehr mitzubekommen, als gut für ihn war. Der Schmerz, als Susans Engelsschwert meinen Rücken streifte, war ihm nicht entgangen. Am besten spielte ich erst mal die Unwissende.
»Warum? Gibt es eine Vorschrift für Racheengel in Ausbildung, die das Benutzen von Waffen untersagt?«
Christopher kam mir bedrohlich nahe. Seine Nasenflügel bebten. Ich hielt ihm stand und rührte mich keinen Millimeter.
»Nein, die gibt es nicht«, brummte er schließlich und wandte sich ab. Der senkrechten Falte auf seiner Stirn nach zu urteilen, hatte er Arons wilden Meeresduft wahrgenommen. Vielleicht auch die Spuren seiner Hand, mit der Aron mir mal wieder die Haare aus dem Gesicht gestrichen hatte, bevor er mich entließ. Falls er wirklich vorhatte, Christopher eifersüchtig zu machen, war Aron auf dem besten Weg – abgesehen davon, dass ich nicht mitspielen würde.
»Es war ein Versehen«, begann ich. Solange ich Christopher nicht verriet, dass Susan mir den Schnitt beigebracht hatte, erfüllte ich Arons Forderung, damit er die Maske für sie wob.
Das helle Glimmen in Christophers Augen riet mir zur Vorsicht. Er war ein Racheengel, seinen Gefühlen ebenso ausgeliefert wie ich – auch wenn er in all den Jahren gelernt hatte, sie zu kontrollieren.
»Oktavian hat seiner Klasse gezeigt, wie Engelswaffen erschaffen werden.« Dass ich dabei war, ließ ich aus. »Ich lief einem seiner Schüler über den Weg, als er mit den Nachwirkungen kämpfte, und machte Bekanntschaft mit seinen neu erlernten Fähigkeiten. Aron wusste nichts davon. Er hätte niemals zugelassen, dass ich mich in Gefahr begebe«, verbog ich die Wahrheit – zumindest zu diesem Zeitpunkt stimmte das ja noch.
»Ja, Aron hätte dich sicher gerettet«, pflichtete Christopher mir bei. Doch die Art, wie er das sagte, verriet mir, wie wenig es ihm passte, dass Aron und nicht er für meine Sicherheit zuständig war.
»Und er hat auch die Wunde begutachtet – aber getröstet hat er mich nicht.«
Meine unausgesprochene Aufforderung zeigte Wirkung. Augenblicklich zog Christopher mich in seine Arme. Vorsichtig, als hätte er Angst, mich mit seiner Berührung zu verletzen, strich er über mein Gesicht, bevor er mich zärtlich küsste: meine Stirn, die Kontur meiner Wange und endlich auch meine Lippen. Die Sehnsucht in seinen Augen, als er mich freigab, schmerzte – doch irgendwann würde ich lernen, seinen Engelkräften zu widerstehen.
Kapitel 12
Grabesstille
E in weißer, mit meiner Internatsadresse versehener Umschlag überraschte mich zwei Tage vor meiner letzten Abiturprüfung. Unscheinbar lag er auf dem hellen Schreibtisch in meinem Zimmer, doch mein Gefühl sagte mir, dass der Inhalt alles andere als harmlos war. Philippe hatte mir noch nie einen Brief geschickt. Es musste einen Grund geben, warum er seine Schreiblust ausgerechnet jetzt entdeckte. Eilig riss ich den Brief auf und überflog die Seite.
Da du seit Wochen
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