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Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Fluch der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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Erschrocken wich ich zurück – und betrat das Reich der Wächterin.
    In einem aufwendigen mit Falten und Spitzen verzierten Kleid wartete sie in ihrer dunklen Schönheit inmitten eines reichblühenden Gartens auf mich. Gigantische Blumen in allen Farben, umflattert von prächtigen Schmetterlingen, begrüßten mich mit melodischem Gezwitscher. Die Totenwächterin war mächtig.
    Ich biss mir in die Wange – vielleicht half das beim Aufwachen –, doch es war kein Traum, dem ich gegenüberstand. Die Totenwächterin war echt. Der erwartungsvolle Schimmer und das Lächeln, das ihren Mund umspielte, verrieten die Freude, mich in ihr Reich gelockt zu haben.
    »Wie schön, dass du meiner Einladung gefolgt bist«, säuselte sie.
    »Das bin ich nicht! Ich wurde gezwungen.«
    »Gezwungen?«, in gespieltem Entsetzen wiederholte die Wächterin das Wort. »Ich soll einen Racheengel gezwungen haben, meinReich zu betreten? Das würde ich niemals tun«, flötete sie im hellen Tonfall der Schmetterlinge, die begannen, mich anstelle der Blüten zu umgarnen und tiefer in die Welt der Totenwächterin zu entführen.
    »Ist ihr Lied nicht wunderschön?«
    Wie in einem Traum verschwamm meine Sicht hinter einem Nebelschleier. Alles, was mir blieb, war mein Gehör – und mein Verstand, der sich weigerte, dem Zauber zu erliegen, und mich zurück Richtung Portal drängte. Doch jeder Schritt, der mich von dem Gesang dieser filigranen Wesen entfernte, beschwerte mein Herz. Tränen drängten, geweint zu werden, zerrten an meiner Seele. Tausend Empfindungen überschwemmten mich. Alles in und neben mir flehte mich an, zu bleiben.
    »Komm mit uns!« Einmal zu oft hörte ich diese verführerischen Worte. Die Wächterin spielte mit meinen Gefühlen. Unbändige Wut keimte in mir auf. Wäre ich in der Lage gewesen, ein Schwert zu weben, hätte ich mich auf ihre flüsternden Schmetterlinge gestürzt und einen nach dem anderen zum Schweigen gebracht. Stattdessen suchte ich den Engel in mir – und fand meinen Schatten. Ich wusste, dass es falsch war, dem dämonischen Teil in mir zu vertrauen – und dennoch genoss ich für einen kurzen Moment diese Macht, die die Totenwächterin und ihre Schmetterlinge vor mir zurückweichen ließ.
    Zwei Atemzüge später war die Wächterin verschwunden und ich zurück in der Totengruft. Aron hatte die Laterne wieder angezündet und wartete bereits auf mich. Offenbar war ich länger im Reich der Totenwächterin geblieben, als ich geahnt hatte.
    Seine Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde, als er mich sah, sein Gesicht blieb ungerührt. Keine Fragen, keine beruhigenden Worte. Schweigend verknotete er das Seil um meine Hüften zu einem provisorischen Sitzgurt.
    »Du wusstest, dass sie mich in ihr Reich locken wird. Warum hast du mich nicht gewarnt?« Der Schatten in mir regte sich wieder. Aron hatte mich der Totenwächterin ausgeliefert.
    »Wovor? Dass sie dich nicht mit Samthänden anfassen wird?«
    Enttäuschung und Wut überwältigten mich. Überrascht von meinem unerwarteten Angriff, reagierte Aron zu spät, als ich einen Arm um seinen Hals schlang und ihn zu der Öffnung zwängte. Mein Wunsch, mich zu rächen, war mächtig.
    »Lynn, komm zu dir!«, herrschte er mich an.
    »Warum? Hast du plötzlich Angst vor der Totenwächterin? Sie wird dich mögen, glaub mir«, säuselte ich im Tonfall der Wächterin.
    Aron packte meinen Arm und befreite sich aus meinem Klammergriff. Mit einem Scheinangriff, dem ich auswich, und einem unvorhergesehenen Tritt brachte er mich zu Fall. Mit dem Ellbogen an meiner Kehle und seinem Körpergewicht bekämpfte er meinen Widerstand.
    »Lynn, du bist ihr entkommen!«
    »Ihr schon, dir aber nicht!« Ich bäumte mich auf, um Aron abzuschütteln. Er hielt meiner Abwehr stand und drückte ein wenig fester zu.
    »Ich habe nicht vor, dir weh zu tun, es sei denn, du zwingst mich dazu«, warnte er.
    Rote Schleier begannen vor meinen Augen zu tanzen. Mein Schatten verdrängte den Engel in mir. Ich ließ es zu, wünschte mir, mächtig zu sein, und gab ihm Raum, sich zu entfalten. Die Spangen an meinen Händen aktivierten sich. Der Schmerz brachte mich zurück, erinnerte mich an Christopher und daran, was aus mir wurde, wenn ich zuließ, dass der dämonische Teil von mir Besitz ergriff.
    Tränen brannten in meinen Augen, als die Dunkelheit sich zurückzog. Ich verbarg sie vor Aron und blendete sein Entsetzen über mein Versagen aus. Doch Aron war mit meiner Flucht nicht

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