Fluch der Engel: Roman (German Edition)
scheinheilig.
»Nur so«, antwortete ich mit einem stummen Fluch, weil ich von Aron im Kämpfen und nicht im Betören ausgebildet wurde.
Die Türen zum Ballsaal wurden geöffnet. Nervös schaute ich mich um. Sanctifer war nicht da, Susan allerdings auch noch nicht. Aber vielleicht hatte ich sie ja nur nicht erkannt.
»Hast du deine alte Schulfreundin schon entdeckt?«, fragte ich Christopher. Er unterstützte meinen Plan. Offiziell war Susan sein Gast.
»Nein, aber ich denke, dass sie erst nach den Ansprachen und der Zeugnisübergabe kommt – wenn der eigentliche Teil der Feier beginnt«, setzte Christopher hinzu. »Lass uns reingehen, sie weiß, wo sie uns findet.«
Der Duft der weißen Rosen erfüllte den großen Ballsaal. Sanftes Kerzenlicht zauberte einen weichen Schimmer auf die mit weißen Leinen, Blumen und pastellfarbenen Bändern dekorierten Tische. Eine Stimmung wie an Weihnachten lag in der Luft, die Geschenke ein Mix aus anerkennenden Worten und stimmungsvollen Abschiedsreden. Zum Glück musste ich nicht heulen, als mir mein Zeugnis überreicht wurde.
Susan ließ sich Zeit. Meine Kontrollblicke Richtung Tür während der Reden änderten nichts daran. War etwas schiefgelaufen? Mit der Maske? War der Schmerz doch zu stark für das zartbesaitete Mädchen? Ein dumpfes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Christopher schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, um meine überstrapazierten Nerven zu besänftigen.
»Auch wenn heute deine Schulzeit endet, du und ich, wir bleiben zusammen«, flüsterte er mit seiner weichen Samtstimme.
Ich sah beiseite – zum Glück konnte Christopher nicht sehen, dass Tränen in meinen Augen brannten, weil ich es besser wusste. Mein Blick blieb an Raffael hängen, der mit Juliane und Florian am Nebentisch Platz genommen hatte. Max und Marisa saßen bei uns.
Raffael wirkte nervös. Anstatt seine Aufmerksamkeit Juliane zu schenken, glättete er die Tischdecke. Wenigstens bemerkte er nicht, wie ich ihn musterte – meine Mutter dagegen schon.
»Ihr habt hier ja richtig schnuckelige Jungs. Kein Wunder, dass du so selten nach Hause kommst«, sagte sie mit gedämpfter Stimme, damit Raffael sie nicht hören konnte – Christopher entging ihre Bemerkung allerdings nicht. Und auch nicht, dass ich Raffael heimlich beobachtet hatte. Sein fragender Blick traf mich.
Ich zuckte die Schultern. Andere Jungs waren mir so was von egal. Die Falte auf Christophers Stirn blieb dennoch. Ich vertrieb sie mit einem Lächeln, das Christopher den Atem anhalten ließ – offenbar verstand ich auch etwas vom Verzaubern. Dass er mich von da an kaum noch aus den Augen ließ, störte mich nicht.
Als das warme Leuchten in Christophers Augen erstarrte, reagierte mein Körper mit Staunen und Blutdruckabfall. Er hatte Susan trotz des dunklen Haarschopfes und der Maske, die sie in ein bezauberndes Mädchen mit braunen Rehaugen und herzförmigem Gesicht verwandelt hatte, sofort erkannt. Doch sein Argwohn galt nicht Susan, sondern ihren Begleitern. Neben Paul waren auch ihre Tutorin, Kassandra Klar, Ekin und Coelestin gekommen und natürlich Aron. So viele Beschützer brauchte Susan ganz sicher nicht.
Noch bevor ich aufspringen und Aron nach dem Grund für das geballte Engelaufkommen fragen konnte, traf mich sein mahnender Blick. Also blieb ich sitzen und beobachtete, wie er mit Susan auf mich zukam, während der Rest des Begleittrupps Plätze an den Nachbartischen belegte.
Meine Eltern begrüßten Aron wie einen alten Bekannten – schließlich hatte er schon bei uns zu Hause übernachtet. Christopher reagierte verhalten auf seinen Halbbruder . Er war noch immer eifersüchtig, wie nur ein Racheengel das sein konnte. Dass Aron meinen Eltern etwas zuflüsterte , damit sie beiseiterutschten, um neben mir Platz zu schaffen, hielt ich für keine besonders kluge Idee von ihm – einen Racheengel herauszufordern war das nie.
Aron blieb locker, klopfte Christopher im Vorbeigehen auf die Schulter und führte Susan zu dem freien Platz daneben. Anschließend hauchte er mir einen unerwartet innigen Kuss auf die Wange – der mich völlig aus der Fassung brachte. Merkte er nicht, was er bei Christopher damit auslöste?
Um die Situation zu entschärfen, ergriff ich die Initiative und forderte Christopher zum Tanzen auf, noch bevor Aron sich nebenmich setzen konnte. Schließlich sollte das eine friedliche Abschlussparty bleiben.
Christopher reagierte überrascht – eigentlich war beim Walzertanzen er
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