Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Foyer. Allerdings brachte er mich nicht ins Freie, sondern zurück ins Schloss der Engel.
»Nur kurz, bis wir wissen, was für Geschenke der Rat für ein bestandenes Abitur bereithält. Ekin und Coelestin sorgen dafür, dass Christopher keine Dummheiten macht. Auch Sanctifer sind außerhalb der Engelswelt die Hände gebunden«, beruhigte er mich und gab mir das Geschenk zurück.
Umgeben von antiken Stühlen, staubigen Spinnennetzen und abgedeckten Möbeln öffnete ich mit zittrigen Fingern das samtbezogene Kästchen. Ein prächtiger Silberring mit dem Zeichen eines geflügelten Löwen lag darin.
Aron sog hörbar die Luft ein und schnappte sich das Schmuckstück. Mir ließ er das Kästchen. Das säuberlich zusammengefaltete Stück Papier am Rand hatte er wohl übersehen.
Mein Magen zog sich zusammen, als ich die Handschrift erkannte. Eine Botschaft von Sanctifer – eigentlich hätte ich gefasster reagieren müssen.
»Sanctifer, dieser intrigante Dämonenschlächter.« Aron war außer sich. »Der Rat hat dir den Siegelring Venedigs geschickt unddamit der Dogin vorgeschlagen, dich zum Racheengel Venedigs zu erheben – dich, einen unerfahrenen Engel! Ich hoffe, sie ist klug genug und lehnt die Empfehlung, die Wahl einzuleiten, dennoch ab.« Aron schaute mich an. Mein verstörter Anblick ließ ihn seinen letzten Satz umformulieren. »Zumindest so lange, bis du so weit bist, um diese schwierige Aufgabe zu meistern. – Lynn, was ist passiert? Du zitterst ja am ganzen …« Aron brach ab, als er den Zettel in meiner Hand entdeckte. Vorsichtig zog er ihn aus meinen Fingern.
»So bald schon?« Auch Arons Entsetzen war greifbar, als er die Zeilen entzifferte.
Ich erwarte dich in einer Woche.
Raffael wird dich finden,
falls er dich nicht antreffen sollte.
Kapitel 14
Geküsst
M it tränenreichen Umarmungen, weil es Zeit wurde, sich zu verabschieden, und freudestrahlenden Augen, endlich das Abi in der Tasche zu haben, verließ die Abschlussklasse am nächsten Morgen die Internatsschule. »Wir bleiben in Kontakt«, »Wir hören voneinander« und »Ich komm dich besuchen« waren die meistgehörten Versprechen. Ich verabschiedete mich mit einem »Ich werde dich vermissen«, weil ich vielleicht keinen von ihnen wiedersehen würde.
Gemeinsam mit meinen Eltern flog ich nach Italien zurück. Um ihren forschenden Blicken zu entkommen, gab ich vor, müde zu sein, und schloss die Augen.
Christophers zorniges Gesicht erschien sofort. Wären gestern nach Sanctifers Abgang nicht ein paar kampferprobte Engel und so viele Menschen im Foyer gewesen, als Aron mein Erscheinen in der Eremitage angeordnet hatte, hätte sich Christopher vermutlich in einen Engel verwandelt und auf Aron gestürzt.
Immerhin gönnte mein Tutor mir zwei Tage, um meine italienischen Freunde zu begrüßen und meinen Eltern zu erklären, dass Christopher und ich schon früher als geplant zu unserer Italientour aufbrechen wollten. Meine Freunde zeigten mehr Verständnis als meine Eltern. Schließlich tröstete sich meine Mutter mit dem Gedanken, dass sie ihre frischgebackene Studentin spätestens zu Semesterbeginn in Venedig besuchen würden. Ich heuchelte Überraschung und Vorfreude – es würde für mich kein Studium geben und für sie keinen Venedigtrip.
Am schwersten fiel es mir, mich von Christopher zu verabschieden. Schließlich durfte ich es mir nicht anmerken lassen, dass wirlänger als ein paar Tage voneinander getrennt sein würden. Natürlich gelang mir das nicht mal ansatzweise.
»Lynn, was ist los?« Christopher löste meinen Kopf von seiner Schulter. Das Mondlicht, das in mein Zimmer fiel, genügte ihm, um zu erkennen, dass ich mit den Tränen kämpfte. »Bist du traurig, weil deine Schulzeit zu Ende ist?«
Ich schwieg – und nickte, obwohl ich ihm am liebsten mein Herz ausgeschüttet hätte. Christopher zu belügen schmerzte wie eine sich stetig vertiefende Wunde. Ich liebte ihn – doch genau deshalb musste ich schweigen.
Anstatt der Wahrheit brachen Tränen aus mir heraus. Ich schloss die Augen, damit Christopher sie nicht sehen konnte. – Doch wem wollte ich damit eigentlich etwas vormachen?
Christopher nahm mich wieder in seine Arme und hielt mich fest, strich mir zärtlich die Haare aus der Stirn und küsste meine Tränen fort. Warum konnte die Welt nicht einfach stillstehen? Warum nur war sie gegen uns?
»Hat Aron dir eigentlich verraten, dass er für uns zwei Karten für Dornröschen im schönsten Theater der Welt besorgt
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