Fluch der Leidenschaft
nicht so böse an. Damit machst du ihr nur eine Heidenangst, und dann kann sie dir gar nichts mehr sagen.«
Imogen glaubte, FitzRoger würde den Mann für seine Unverschämtheit niederschlagen, doch stattdessen ließ er sich zu Boden sinken und legte die Arme um die Knie. Er fixierte sie noch immer mit einer düsteren Miene, doch nicht mehr mit dieser betäubenden Intensität. »Du glaubst, sie ist eine kleine Idiotin?«, fragte er trocken. »Das würde natürlich eine Menge erklären.«
»Ich bin bei vollem Verstand!«, brach es aus Imogen heraus. »Aber wenn ich meinen Kopf benutzt hätte, dann wärt Ihr der Letzte gewesen, den ich um Hilfe gebeten hätte!«
»Wen denn dann?«, fragte er süßlich und lächelte dabei sogar. Imogen fand, dass schon sein Blick entsetzlich war, doch dieses Lächeln war noch schlimmer. Bestimmt lächelte er so einen Feind an, bevor er sein Schwert in ihn hineinrammte.
»Den König«, erwiderte sie kühn.
Er zog eine Braue hoch. »Wenn Ihr geglaubt hättet, dass auch nur die geringste Chance bestünde, Henry zu erreichen, wärt Ihr schon gestern Richtung Osten losgegangen.«
Ein plötzlicher Gedanke legte ihre Stirn in Falten. »Weil Warbrick in Carrisford war, hätte ich nach Osten gehen sollen, mitten durch sein Land!«
Die Männer betrachteten sie allesamt voller Unglauben. »Ich glaube, ›kleine Idiotin‹ ist noch gelinde ausgedrückt, Renald«, meinte FitzRoger, und Imogen musste sich eingestehen, dass es ziemlich dumm gewesen war, das zu sagen.
»Aber«, fuhr er fort, »vermutlich weiß sie trotz ihres wirren Kopfes etwas über die Geheimgänge. Die Frage ist nur, wie wir an dieses Wissen herankommen.«
»Zu jedem Menschen gibt es einen Zugang«, sagte Sir Renald.
»Wir könnten ihr die Füße noch ein wenig mehr zurichten«, meinte ein großer, blonder Mann wie nebenbei. Imogen rückte unwillkürlich ein Stück weg. Sie bemerkte, dass der Blonde große Augen bekam, wandte sich nervös zu FitzRoger um und sah dessen eisigen Blick auf sich gerichtet.
Wieder war Sir Renald der Friedensstifter. »Gebrauche du mal deinen Verstand, Will. Dies ist die süße Demoiselle, die wir vor dem Ungeheuer Warbrick retten. Spar dir deine böse Ader für ihn auf. Ich bin sicher, wenn sich Lady Imogen die Sache überlegt hat, wird sie zur Vernunft kommen.«
Imogen glaubte in den letzten Worten eher eine Warnung zu hören, doch sie war in der Tat kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Obwohl Bastard FitzRoger ihr von sich aus zu Hilfe gekommen war, schlug ihr Instinkt Alarm und gebot ihr, diesem Mann nicht voll und ganz zu vertrauen. Sie wollte nicht, dass er über die Geheimnisse von Carrisford Bescheid wusste, wenn sie die Burg wieder in Besitz genommen hatte.
Sie schluckte und befeuchtete sich die trockenen Lippen. »Es ist klar, dass nur mehr wenige Menschen in der Burg sind, auch wenn es Soldaten sind. Wenn es viele wären, könnten sie nicht so unsichtbar bleiben. Es sollte also keine große Angelegenheit sein, sie einzunehmen.«
»Natürlich nicht«, pflichtete FitzRoger ihr freundlich bei. »Warum führt Ihr uns nicht an – auf dem Weg zum Eingang hinauf?«
Sie starrte ihn mit offenem Mund an. »Ich bin kein Soldat«, sagte sie schließlich.
»Wer auch immer es ist, der vorangeht, wird getötet werden, Soldat oder nicht«, bemerkte er mit gespielter Heiterkeit. »Meint Ihr nicht, diese Ehre würde, da es Eure Burg ist, Euch gebühren?«
Er verdrehte alles, was sie sagte. Die Welt ergab keinen Sinn mehr. »Aber auf mich kommt es bei dem Ganzen doch an«, hörte sie sich sagen. »Wenn ich tot bin, fällt Carrisford an die Krone zurück.« Es klang schrecklich selbstsüchtig. War es wirklich ihre Pflicht, sie zur Burg hinauf anzuführen? Wenn sie ein Mann wäre, vermutete sie, dann wohl schon …
»Wie wahr«, meinte FitzRoger seufzend. »Was für eine Schande. In diesem Fall solltet Ihr vielleicht einen Stellvertreter ernennen, Lady Imogen. Wen würdet Ihr gern anstatt Eurer Person getötet sehen? Mich? Renald? Oder den Bösewicht, der Eure Füße verstümmeln möchte?«
Sie hatte recht damit gehabt, seinem Lächeln zu misstrauen. Als er es auf sie richtete, spürte sie, wie ihr Gesicht heiß errötete. »Ich weiß nicht«, murmelte sie verdrossen.
»Die Entscheidung liegt ganz bei Euch«, erklärte er unnachgiebig. »Vielleicht ist es Euch ja lieber, wenn wir umkehren und friedlich wieder nach Cleeve zurückreiten. Dann wird niemandem auch nur ein Haar
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