Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch der Leidenschaft

Fluch der Leidenschaft

Titel: Fluch der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Beverley
Vom Netzwerk:
gezeigt als Lord Richard. Imogen hatte jedoch nach wie vor Zweifel bezüglich seines Muts und seiner Tüchtigkeit. Sie war überzeugt, dass der Graf im Grunde nicht über besondere Stärke verfügte.
    Aber auch unter ihren anderen Freiern war kein besserer zu finden.
    Die Blätter über ihr sahen vor dem grau bewölkten Himmel schwarz aus. Es war nicht kalt, doch die Nachtluft war feucht. Imogen zog den Umhang fester um sich und wünschte sich eine andere, eine bessere Auswahl – und den Rat ihres Vaters. Vielleicht sollte sie letztendlich diese Entscheidung doch dem König überlassen …
    Doch sie kannte Henry Beauclerk nicht, und die Vorstellung, mit Leib und Seele einem Fremden ausgeliefert zu sein, entsetzte sie.
    Sie lenkte ihre Gedanken von diesem ferneren Problem auf das unmittelbar naheliegende. Wie lange würde de Lisle mit seinem Dutzend Männern brauchen, um in die Burg hineinzukommen? Bestimmt gingen sie äußerst vorsichtig vor, denn die Besatzer waren sehr aufmerksam, und die Nacht wurde von einem drei viertel vollen Mond erhellt. Meistens war er zwar von Wolken verdeckt, doch gelegentlich kam er heraus und übergoss die Burg und die ungeschützten Hänge darunter mit seinem weißen Licht.
    Sie schätzte, dass die Männer Stunden brauchen würden.
    Stunden, in denen sie warten musste und in denen nur die gedämpften Stimmen der Soldaten zu hören waren, die leisen Geräusche nächtlicher Lebewesen, der gelegentliche Schrei einer Eule. Stunden, in denen ihre so kurz zurückliegende Erfahrung von Gewalt ihre Gedanken immer mehr beherrschte, bis sie schließlich fast gewillt war, ihr Land und ihre Leute aufzugeben, damit es nicht zu noch mehr Blutvergießen in ihrem Namen kam.
    Doch plötzlich mischte sich eine Erinnerung in ihre Gedanken. Sie fuhr entsetzt in die Höhe. »Ach du lieber Gott!«
    FitzRoger war sofort bei ihr. »Seid Ihr krank?«
    »Nein!« Sie ergriff das kalte Metall, das seinen Arm bedeckte. »Ich habe etwas vergessen. Oh, wie konnte mir das nur geschehen!«
    Er packte sie unsanft an den Schultern. »Drückt Euch klarer aus! Was habt Ihr vergessen?«
    »Die Falle!«, keuchte sie im Gedanken an den lächelnden de Lisle, der mit Sicherheit seinen Leuten voranschritt. »Die Falle. Mein Vater hat vor zwei Jahren eine Falle einbauen lassen, weil er dachte, es sei womöglich etwas über unsere Geheimgänge bekannt geworden.«
    »Was für eine Falle?«, fragte er mit einer Stimme, die so scharf war wie eine auf ihr Herz gerichtete Klinge.
    »Ein schwingender Stein. Wenn man nicht an der richtigen Stelle darauf tritt, dreht er sich, und der Betreffende stürzt in ein Verlies.« Sie spürte, wie FitzRoger sich versteifte. »Aber das ist noch nicht alles! Dadurch wird auch ein Alarm ausgelöst.« Der Blick aus seinen Augen ließ sie unwillkürlich zusammenzucken. Er ließ sie los. Nein, er stieß sie von sich.
    »Wie konntet Ihr so etwas vergessen?«
    »Es ist so neu«, schluchzte sie und begann zu weinen. »Seit diese Vorrichtung eingebaut wurde, war ich nicht mehr in den Geheimgängen. Ich habe mich nur an das erinnert, was ich aus eigener Erfahrung kenne … aber wenn ihnen rasch jemand folgt, könnte man sie noch warnen!«
    FitzRoger zog bereits das Kettenhemd und den gepolsterten Brustpanzer darunter aus. »Sagt mir genau, worum es sich handelt. Und vergesst dieses Mal nicht wieder etwas.«
    »Aber solltet Ihr nicht hierbleiben …«
    »Ich habe die Gänge bereits studiert. Fahrt fort!« Er trug jetzt nur mehr eine dunkle Hose und eine Tunika aus Leinen. Nun schmierte er sich noch Erde ins Gesicht.
    Imogen sammelte ihre Gedanken. »Wo der Fels endet und die Mauer beginnt«, erklärte sie rasch, »sind in Schulterhöhe drei Linien in die rechte Wand eingemeißelt. Wenn der, der vorangeht, sich von dort aus nach vorn streckt, findet er an seinen Fingerspitzen drei weitere Linien. Er muss so weit vortreten, dass sich sein Fuß auf gleicher Höhe mit diesen Linien befindet. Dann muss er sich noch einmal um die gleiche Distanz vorwärtsbewegen. Für einen Mann mittlerer Größe ist das ein Schritt von normaler Länge. Nichts Außergewöhnliches – nur tendiert man in diesen Gängen dazu, kleine Schritte zu machen.« Noch nie in ihrem Leben hatte sich Imogen so beschämt und verzweifelt gefühlt. »Es tut mir so leid«, flüsterte sie. »Wirklich. Ich mag Sir Renald.«
    »Aber wenn ich jetzt an seiner Stelle wäre, dann würdet Ihr gut schlafen?«, fragte er unwirsch. »Ihr habt wohl ein feines

Weitere Kostenlose Bücher