Fluch der Leidenschaft
nicht überrascht, wenn ein paar von denen, die geflohen sind, einfach nicht hören wollen, dass jetzt wieder alles gut ist, und nur darauf hoffen, dass die meiste Arbeit getan ist, bis sie zurückkommen und ihren Platz wieder einfordern.«
Imogen kannte ihre Leute, und was Martha sagte, kam ihr nicht falsch vor. Das Leben in Carrisford war leicht und angenehm gewesen – für sie und für alle anderen.
Plötzlich wusste sie, worauf FitzRoger Jagd machte. Er würde niemals seine Zeit damit vergeuden, Wild zu jagen, wenn ohnehin zu viel Fleisch da war. Er war ihren vermissten Bediensteten auf den Fersen. Sie dachte an den schrecklichen Schandpfahl.
»Beim Heiligen Gral«, murmelte sie, »wenn er meine Leute malträtiert …«
Sie befahl, ihr Bett ans Fenster zu stellen, damit sie sehen konnte, was in den Höfen vor sich ging. So würde sie genau verfolgen können, was FitzRoger nach seiner Rückkehr tat.
Die folgenschwere Entscheidung über ihre Eheschließung schob sie beiseite und beschloss abzuwarten, was als Nächstes geschehen würde.
FitzRoger kam allein zurück. Ihr fiel auf, dass er ohne Kopfbedeckung und nur mit einem mit Metallringen versehenen Lederwams als Schutz ausgeritten war. Wahrscheinlich, dachte sie entsetzt, würde es nur mit Glück einen Pfeil abwehren.
Dann fragte sie sich, weshalb sie sich um seine Sicherheit sorgte.
Weil er derzeit ihr einziges Bollwerk gegen die Welt war?
Nein, weil sie beschlossen hatte, ihn zu heiraten.
Diese Entscheidung war völlig unbewusst gefallen.
Sie betrachtete diesen Mann mit neuen Augen. Er war ihr Mann. Ihr starker rechter Arm. Er sollte sich besser schützen, denn verwundet würde er nutzlos für sie sein.
Sie sah es alles nüchtern und praktisch.
Aber warum war dann ihr Mund ganz trocken, und warum schlug ihr Herz so heftig? War das Furcht? Es fühlte sich nicht so an.
Er übergab die Zügel einem Knecht und ging mit flottem, elegantem Schritt, so als habe er keineswegs Stunden im Sattel gesessen, auf den Hauptturm zu. Bei der Heiligen Jungfrau, sie hätte ihn wirklich gern einmal schwach gesehen, oder wenigstens hinkend!
Als sie bemerkte, dass dieser Gedanke in direktem Widerspruch zu ihrem vorigen stand, biss sie sich irritiert auf die Lippe. Dieser Mann machte sie noch verrückt …
Sie verlor ihn aus den Augen, aber aus dem Sinn ging er ihr nicht. Er würde ein guter Lord für Carrisford sein, räumte sie ein – aber auch ein guter Ehemann?
Würde er nett sein? Wahrscheinlich schon, dachte sie, wenn sie sich ihm nicht widersetzte. Würde er sie schlagen? Die Antwort war: Ja – wenn sie etwas tat, wofür sie Schläge verdiente.
Imogen schauderte, war jedoch überrascht, dass sie keine große Angst verspürte. Sie bemerkte, dass sie ihn als gerecht einschätzte.
Hoffentlich lag sie damit nicht falsch. Er konnte sie mit einem einzigen Hieb umbringen.
Würde er ihr bei der Verwaltung von Carrisford ein Mitspracherecht einräumen?
Ja, sagte sie sich, denn das würde ihre Bedingung für die Heirat sein. Sie musste an ihren Wert denken und ihren Preis hoch ansetzen.
Und was, dachte sie zögerlich, war mit dem Ehebett?
Sie erinnerte sich an Janine, presste eine Hand auf die Augen und kämpfte gegen ein Gefühl von Übelkeit an. Nein, so schlimm konnte und würde es für sie nicht sein.
Sie würden ein Bett haben, keinen Tisch. Sie würde sich nicht wehren, und niemand müsste sie festhalten. Und bestimmt war FitzRoger nicht so … so derb und feist wie Warbrick, sagte sie sich beim Gedanken an dessen riesigen, prallen Phallus.
Schließlich war das etwas ganz Normales und notwendig, um Kinder zu bekommen. Sie würde es ebenso ertragen können wie alle anderen Frauen seit Eva. Einmal hatte sie sich den Arm gebrochen; er war geschient worden, ohne dass sie geweint hatte. Man musste einfach nur die Augen schließen und an etwas anderes denken.
Also, je früher sie es ihm eröffnete, desto eher würde sie alles hinter sich haben und sich um die Renovierung von Carrisford kümmern können. Sie lauschte auf seine Schritte.
Doch nach einer Weile begriff Imogen, dass er nicht auf direktem Weg zu ihr kam, um Bericht zu erstatten. Das ärgerte sie, doch sie hielt dieses Gefühl im Zaum. Zuzulassen, dass FitzRoger ständig einen wunden Punkt bei ihr traf, hieß, ihm zu viel Macht über sie zu geben.
Imogen überlegte, wie sie vorgehen sollte. Sie konnte ihn herbestellen und ihm ihre Entscheidung mitteilen. Das war verlockend, um es rasch hinter
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