Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
wirkte sehr beherrscht, zumindest nach außen hin, obwohl sein Inneres aufgewühlt war. Vergeblich versuchte er nämlich, die trüben Gedanken zu bändigen oder zumindest Herr zu werden über den Schmerz in seiner Brust. Diesmal gab es andere Wachhabende vor dem Eingang zum
Audienzzimmer: Schichtwechsel. Aber auch diese kannte er, weil er alle in der Residenz persönlich kannte.
Sie behandelten ihn dennoch wie einen Fremden. Lord Cooper machte sich nichts daraus. An ihrer Stelle hätte er genauso gehandelt: Es gehörte ganz einfach zum Ritual.
Einer trat ein, um ihn anzukündigen. Als er zurückkehrte, nickte er ihm zu.
Lord Donald Cooper salutierte eher lässig, obwohl das normalerweise nicht seine Art war: Entweder er machte es korrekt oder er verzichtete lieber darauf. Es war das äußerste Zeichen von Unsicherheit, das er sich erlaubte. Ansonsten wirkte er nach dem Eintreten im Audienzzimmer völlig gefasst und saß jede Geste des üblichen Rituals vor der Annäherung an Ihre Majestät, Königin Elisabeth von England. Das bedeutete, er stand mit gesenktem Haupt, beinahe wie ein armer Büßer, an der Tür, die sich hinter ihm schloss und wartete auf das Zeichen der Königin.
Sie war nicht allein. Ein anderer Berater war bei ihr, den Lord Cooper zwar kannte, aber nicht sonderlich schätzte. Sie entließ den Mann mit einem Fingerzeig. Dieser eilte rückwärts zu einer anderen Tür und verschwand. Jetzt war die Königin allein mit ihm. Sie winkte ihn näher. Dass keiner der Wachhabenden mit ihm eingetreten war, zeigte ihm, dass die Königin diese bereits entsprechend angewiesen hatte. Und was war das für ein Gespräch mit dem anderen Berater gewesen? Lord Graham war so etwas wie ein Konkurrent von Lord Cooper. War es bei dem Gespräch um ihn, Cooper, gegangen? Es hätte ihn nicht gewundert, denn die Königin hörte sich gern unterschiedliche Meinungen zu ein und demselben Thema an, um sich daraus ihre eigene Meinung zu bilden. Oder redete sich Lord Cooper nur etwas ein und die Unterredung hatte in Wahrheit gar nichts mit ihm zu tun?
Er erreichte den Thron und ließ sich vorschriftsmäßig im Sicherheitsabstand auf das rechte Knie fallen.
"Nein!", befahl die Königin mit fester Stimme. Es schwang weder Freundlichkeit, noch Unfreundlichkeit in dieser Stimme mit. Sie klang völlig neutral. Ein gutes Zeichen?
Lord Donald Cooper stockte in der Bewegung.
"Erhebt Euch, Lord, damit ich Euch wieder in die Augen sehen kann. Dies ist ein besonders persönliches Gespräch, Lord Cooper und ich gehe davon aus, dass niemals auch nur ein Wort davon nach draußen dringt. Haben wir uns verstanden?"
Das waren ja ganz neue Töne! Er wagte es nicht nur, sich wieder zu erheben, sondern auch die Augen zu heben. Ihre Blicke kreuzten sich. Die Königin erschien ungewöhnlich ernst.
"Habt Ihr eine Ahnung, wie wichtig Prinzessin Carla von Spanien tatsächlich für uns ist?"
"Jawohl, Majestät, die habe ich."
"Dann ist es ja gut, Lord Cooper. Seid Euch darüber im Klaren, dass uns der Zufall nicht nur die Prinzessin in die Hände gespielt hat, sondern mit ihr eine unglaubliche Chance, die Weltgeschichte in unserem Sinne zu korrigieren. Wie Ihr wisst, ist England im Vergleich zu Spanien eher klein und unbedeutend. Wir sind Spanien und dessen Barmherzigkeit so sehr ausgeliefert, falls es jemals darauf ankommt, wie seinerzeit David dem übermächtigen Goliath. Aber wer hat den Kampf letztlich dennoch bestanden?"
"David!", antwortete er ohne zu zögern.
"Richtig! Und wie hat er es geschafft?"
"Durch eine List!"
"Abermals richtig, Lord Donald Cooper. Genau dieses sind wir bereits dabei zu tun, aber wir müssen bei alledem äußerst vorsichtig sein. Sobald König Philipp von Spanien zu viele Hinweise entdeckt, die auf ein mögliches Bündnis der ihm äußerst lästigen Piraten mit der Krone von England deuten lassen, ist die Sicherheit Englands nachhaltig gefährdet. Wir würden genau das Gegenteil erreichen von dem, was wir erreichen wollen."
"Gewiss, Eure Majestät!"
"Ich weiß sehr wohl, dass wir es nicht auf Dauer verhindern können. Ein Risiko, das wir eingehen müssen. Philipp nimmt nur so lange Rücksicht auf uns, wie wir ihm als wichtige Verbündete erscheinen auch und gerade bei seinen Problemen mit den Niederlanden - und so lange seine Armada mit anderen Problemen besdchäftigt ist. Er will unter allen Umständen die Handelsroute in die Neue Welt weiterhin unter seinem Monopol behalten. Das sichert ihm schier
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