Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
traumlos. Immer wieder sah er Jeannet. Ihre Begegnung war so intensiv, dass er fest glauben musste, es sei... die Wirklichkeit!
Im Traum holten sie gewissermaßen nach, was das Leben ihnen vorenthielt. Sie hatten sich doch nur so kurz kennenlernen dürfen. Ja, kurz nur, aber unbeschreiblich heftig. Dieses Erlebnis beherrschte seine Sinne und somit... auch seine Träume. In diesen jedoch, obwohl es ihm so real vor kam, war alles ganz anders als in Wirklichkeit. Da gab es keine Beschränkungen, keine Ängste, nichts, was hätte zwischen ihnen stehen können, was ihre Liebe gefährdete: Da waren sie völlig ungezwungen, lagen sich in den Armen, spürten einander, durften sich lieben, ohne Anstoß zu erregen oder gar um ihr Leben bangen zu müssen. Sie gingen Hand in Hand über das Piratenschiff WITCH
BURNING, sie scherzten mit Naismith, den der Lord eigentlich im Verdacht hatte, ein Spion der Königin zu sein, sozusagen als deren letzte Kontrolle. Er scherzte mit ihnen, gab sich nett und freundlich wie nie und wünschte ihnen sogar alles Glück der Welt.
Da war auch Königin Elisabeth selber. Sie lächelte wohlwollend und bat das Traumpaar, sich doch endlich zu küssen. Das taten sie dann. Donald Cooper spürte Jeannets aufregenden Körper und es war soviel Glück in seiner Brust, dass er schier zerspringen wollte. Der Kuss hörte gar nicht mehr auf: Endlich, ja, endlich durften sie sich in aller Öffentlichkeit küssen und alle waren begeistert und jubelten ihnen zu: Die Königin, die Piraten, das englische Volk, das spanische, angeführt von Carla...
Nur einer war nicht begeistert: Philipp II. Er schaute im Gegensatz zu allen anderen verbiestert drein und hob sein Zepter, um damit auf die arme Carla einzudreschen. Diese wich geschickt aus, doch das Zepter sauste nieder und pochte hart auf den hölzernen Boden. Immer wieder versuchte es der verbiesterte spanische König. Immer wieder sauste sein Zepter nieder, um hart auf den Boden zu pochen.
Alle waren total aufgeregt ob dieser Szene. Auch Lord Cooper, dessen Geliebte sich plötzlich wie in Nichts auflöste. Er schrie verzweifelt nach ihr, doch nicht nur sie verschwand, sondern darüber hinaus... alles andere um ihn herum. Nur eines blieb: Das hartnäckige Pochen. Schlagartig erwachte er. Senkrecht stieg er in seinem Bett hoch. Das Pochen stammte nicht vom Zepter des spanischen Königs, sondern war an der Tür. Er hörte die Stimme des Hofmarschalls:
"Mylord, ich bitte Euch inständig um Vergebung, aber ich habe Order, Euch zu wecken."
Lord Donald Cooper brummelte etwas Unverständliches in den Bart. Seine Linke krallte sich in das Nachtgewand vor seiner Brust. Dieser Schmerz, den er im Traum hatte vergessen dürfen und der jetzt mächtiger als zuvor zurückkehrte... Jeannet, geliebte Jeannet! Wann endlich dürfen wir uns in Wirklichkeit wiedersehen, nicht nur im Traum?
Er dachte nicht zum ersten Mal daran, dass er ihr die Adresse jenes Pubs in London gegeben hatte, über dessen Wirt sie ihn erreichen konnte. Noch bevor er ins Bett gegangen war, hatte er einen Kurier seines Vertrauens ausgesendet, um den Wirt entsprechend in Kenntnis zu setzen. Der Kurier war einer aus des Lords Dienerschaft. Er hätte sich eher die Zunge abgebissen oder Schlimmeres über sich ergehen lassen, bevor er seinen Lord verraten hätte. Aber auch der Wirt war Lord Cooper treu ergeben. Es würde keinerlei Risiko bedeuten, wenn sich Jeannet über diesen mit ihm in Verbindung setzte. Das wusste er ganz sicher und es half ihm, ein wenig die brennende Sehnsucht zu unterdrücken und sich auf den Hofmarschall zu konzentrieren: Was fiel diesem denn überhaupt ein, ihn aus den süßesten Träumen so brachial zu wecken?
Lord Cooper sprang aus dem Bett und erreichte mit drei Sätzen die Tür. Er riss sie auf.
Der Hofmarschall erschrak, als der Lord so plötzlich vor ihm erschien. Er verbeugte sich verdattert, anstatt zu salutieren, wie es richtig gewesen wäre.
"Mit Verlaub, Mylord, ich wünsche, wohlgeruht zu haben!"
"Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen?", herrschte der ihn an. "Wieso macht Ihr einen solchen Höllenlärm, dass das ganze Schloss schier erbebt?"
"Mit Verlaub, Mylord, aber es ist bereits Mittagszeit und es scheint, als würde Ihre Majestät, die Königin von England, ungeduldig werden." Lord Cooper schluckte seinen Ärger hinunter. Die Königin wünschte ihn persönlich zu sprechen - und es war bereits Mittag? Wo, um alles in der Welt, war denn die Zeit geblieben? Hatte er
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