Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
Jeannet es sich mit ihrem Ersten Offizier und Stellvertreter verderben.
Sie brauchte ihn.
Vielleicht sogar mehr als er sie.
Ben Rider war der Einzige in der Mannschaft, dem sie zutraute, ihre Nachfolge anzutreten. Er war kompromisslos genug, um sich gegen eventuelle Konkurrenten durchzusetzen, anderereits war er aber auch sensibel genug, um das Gras wachsen hören zu können. Eine Eigenschaft, die einen wirklich guten Kapitän auch ausmachte. Die WITCH BURNING drehte.
Jeannet stand neben einem Steuermann namens Greg Sykes. Joao, der Portugiese hatte ihn in den letzten Wochen ausgebildet. Er würde ein gleichwertiger Ersatz werden, wenn er diese Ausbildung ersteinmal abgeschlossen hatte. Der Wind war mild, aber stetig, der Wellengang nicht allzu hoch. Ein idealer Moment also, um sich zum Steuermann ausbilden zu lassen.
Jeannet stand in der Nähe des Ruders. Aber ihr Blick folgte nicht dem Kurs der WITCH BURNING, sondern verfolgte die SWORD FISH, die sich dem Horizont näherte und schließlich am Horizont verschwand. Das werden die längsten sechs Monate meines Lebens werden!, durchfuhr es sie.
*
Sechs Monate später...
An der galizischen Küste vor Vigo, Spanien...
"Dort ist sie, die Küste Spaniens!", sagte Ben Rider an Jeannet gewandt.
"Ist die Flagge gehisst?", fragte Jeannet.
"Dieser eigenartige bunte Lappen?", höhnte Ben. Er deutete zum Großmast. "Dort hängt er!"
"Gut!"
Der bunte Lappen, wie Ben Rider diese Flagge nannte, hatte ursprünglich an einem der Masten jener Galeone geweht, mit der Prinzessin Carla vor der ungeliebten Heirat mit einem osteuropäischen Fürsten zu fliehen versucht hatte.
Jetzt war dieses knallrote Tuch das Erkennungszeichen für Sir Donald Cooper. Seine Freunde bei der spanischen Zollkommandantur beobachteten die Küste und würden ihn sofort benachrichtigen. Die Sicht war klar.
Mit einem halbwegs brauchbaren Fernglas war die Flagge deutlich von der Küste aus zu erkennen.
Eigentlich musste alles plangemäß seinen Gang gehen. So, wie Jeannet und Donald es vor gut sechs Monaten vereinbart hatten.
"Ich möchte, dass wir vor Anker gehen", erwiderte Jeannet mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck, den Ben Rider nie zuvor bei ihr bemerkt hatte. Da war etwas in ihren Zügen, das neu war. Melancholie , dachte Ben Rider. All die Jahre über, da er mit ihr die Meere besegelt hatte, war ihm das nie an ihr aufgefallen.
Ein Wesenzug, den sie wohl gut zu verbergen wusste , ging es ihm durch den Kopf.
"Ich hoffe, du hast dir gut überlegt, was du tust!"
"Das habe ich, Ben."
Er zuckte die Achseln. "Vielleicht sollte ich Euch auf die förmliche Weise anreden, Mylady ---nun, da ihr unter die Edelleute gehen werdet, an der Seite eines Mannes, der meiner Ansicht nach zwar nicht unbedingt durch eine edle Gesinnung ausgezeichnet wird, aber..."
"Schweig, Ben Rider!", fuhr Jeannet ihn an. "Noch bin ich der Kapitän, wenn auch nicht mehr lang. Und ich verbiete dir, so über den Mann zu reden, den ich liebe!"
Ben blickte sie mit seinem einzigen Auge nachdenklich an, dann nickte er.
"Du hast recht", gab er zu. "Ich bin ein Narr. Aber vielleicht macht es mich einfach wütend zu sehen, dass dir jenes Glück widerfahren wird, das ich niemals finden werde!"
Sein Gesichtsausdruck war düster geworden.
Jeannet hatte bis zu einem gewisse Grad durchaus Verständnis für ihren Ersten Offizier, der ihr Nachfolger werden würde, sobald sie das Schiff verlassen hatte.
Jeannets Gedanken gingen ein paar Tage zurück.
Sie war ihren Männern entgegen getreten und hatte ihnen gegenüber eröffnet, dass sie die Mannschaft verlassen würde und das Ben Rider ihr Nachfolger sein sollte. Es wäre beinahe zu einem Aufruhr gekommen, aber Jeannet hatte vorgesorgt. Während ihrer ersten Fahrt in die Neue Welt hatte die WITCH BURNING reiche Beute gemacht. Davon ließ
Jeannet den größten Teil an die Mannschaft verteilen. Das stimmte die Männer etwas milder. Die Mannschaft hatte ihre Entscheidung geschluckt. Bei näherem Nachdenken wurde den meisten klar, dass Ben Rider der einzige in Frage kommende Nachfolgekandidat war. Sowohl was seemännisches Können, als auch taktische Fähigkeiten im Kampf anging, so konnte niemand an Bord Rider das Wasser reichen. Und die Tatsache, dass Jeannet ihm die wie ein strenges
Staatsgeheimnis gehüteten spanischen Seekarten übergeben hatte, bürgte dafür, dass auch in Zukunft reiche Beute für alle da war, die mit Ben Rider über das Meer zogen.
Jetzt blieb nur eine
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