Fluch der Nacht: Roman
hatte, begab er sich in Laras und führte beide geradewegs zum Baum des Lebens. Seine Erfahrung, dachte Nicolas, zeigte sich in der absoluten Sicherheit, mit der er sich bewegte, in dem Respekt, mit dem er Fragen stellte, wenn er Tieren auf dem Weg begegnete und aufzuspüren versuchte, was Lara verloren hatte in ihrer Eile, eine tödliche Mikrobe aus Ravens Körper zu entfernen.
Ja, Gregoris Benehmen auf der Reise war tadellos, selbst als er fand, wonach er suchte, es höflich einlud zurückzukehren, und das gestresste Fragment zu überzeugen versuchte, dass es zu einer sicheren Umgebung heimkehren würde. Der heilende Gesang im Hintergrund steigerte die Überredungskunst des Heilers, und am Ende kehrte das Fragment ohne allzu große Mühe zu Lara zurück.
Gregori schwankte ein wenig von dem Energieaufwand. »Sie braucht Blut und Ruhe.« Er hatte die Fülle von Kindheitserinnerungen in Laras Geist eindringen sehen.
»Ich bringe sie nach Hause«, erklärte Nicolas.
»Nein!« Savannah drückte die Hände auf ihren gewölbten Leib. »Ich kann spüren, wie dieses Ding an meinen Kindern zerrt und ihnen wehtut. Wie es ihnen das Gefühl gibt, unerwünscht zu sein. Ich kann keine weitere Abenddämmerung abwarten.« In einer flehenden Geste streckte sie die Hand nach Lara aus. »Ich schwöre dir, dass ich es täte, wenn ich könnte. Ich weiß, was es dich kostet, aber meine armen Kinder leiden.« Tränen strömten über ihr Gesicht, als sie sich Hilfe suchend Gregori zuwandte.
Er war sofort bei ihr, nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und drückte ihr tränennasses Gesicht an seine Brust – doch er sagte nichts, sondern wartete nur schweigend ab.
Lara spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte, als sie sich auf unsicheren Beinen umdrehte, aber Savannah hatte recht. Sie konnten die Babys nicht länger als nötig leiden lassen.
»Das kommt überhaupt nicht infrage«, erklärte Nicolas entschieden. »Ich verbiete es dir, Lara.« Er ignorierte den eigensinnigen Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Schon beim letzten Mal hast du es kaum in einem Stück herausgeschafft. Wenn es sein muss, kümmere ich mich darum, Lara.«
»Wie denn? Wenn ein Mann dazu in der Lage wäre, hätte der Heiler es schon versucht. Es muss eine Frau sein, und diese Frau muss Xaviers Handschrift erkennen, die nur sehr schwach und schwer zu verfolgen ist.«
»Natalya kann das übernehmen«, sagte Nicolas mit wachsender Verzweiflung. Er hatte das Gefühl zu ersticken.
»Sie kann es nicht, und ich glaube, das weißt du auch. Es gibt niemand anderen als mich.« Die stille Resignation in Laras Stimme traf ihn bis ins Mark.
Im Zimmer war es ruhig, doch er konnte die Augen aller Anwesenden auf sich spüren. Sein Blick wich nicht von Laras. Sie wollte nicht gehen, und ein Teil von ihr wünschte sogar, er würde sie daran hindern, aber sie wussten beide, dass ihr eigentlich gar keine Wahl blieb. Wie könnte sie mit ihrem Gewissen weiterleben, wenn sie zuließe, dass ungeborene Kinder litten, wie sie selbst gelitten hatte, und sie aus eigener Erfahrung die nachhaltigen Auswirkungen kannte? Wenn sie wusste, dass der Killer seine Anstrengungen verdoppeln würde, um die Welt von den Enkelkindern des Prinzen zu befreien?
Nicolas. Sie flüsterte seinen Namen, und zum ersten Mal hörte er Liebe in ihrer Stimme.
Sein Herz begann, wie wild in seiner Brust zu hämmern. Das also war Liebe – dieses Gefühl, das ihm schier das Herz zerriss, dieser nicht nachlassende Schmerz in ihm. Diese grimmige Entschlossenheit, ihre Welt in Ordnung zu bringen.
»Sívamet – mein Herz«, murmelte er und war selbst erstaunt, wie ernst er es meinte.
Ich werde Blut brauchen, um die Reise noch einmal anzutreten.
Nicolas schluckte seinen Protest hinunter. Sie musste gehen, und er durfte sie nicht aufhalten.
Gregori trat vor und streckte sein Handgelenk aus. »Ich gebe dir, so viel du willst, Lara. Mein Leben für dein Leben.«
Ein kurzes Schweigen entstand, dann zwang sich Lara zu einem unsicheren Lächeln. »Tut mir leid, aber ich habe eine Aversion dagegen, Blut zu nehmen. Ich lerne gerade erst, das meines Seelengefährten anzunehmen.«
Gregori neigte den Kopf. »Verstehe. Und ich bitte dich aufrichtig um Verzeihung für mein Benehmen.«
»Das ist nicht nötig, Gregori.«
Lara drehte sich in Nicolas’ Armen und suchte mit ihren Fingerspitzen unter seinem Hemd nach heißer Haut. Sie brauchte sein Blut, und er gab es ihr. Es war so kompliziert – und auch so einfach. Nicolas zog
Weitere Kostenlose Bücher