Fluch der Nacht: Roman
Vorstellung, dass du davon überzeugt bist, er hätte dich verraten. Er lässt ihn außerdem glauben, dass alle Karpatianer ihn verabscheuen und seine eigene Tochter ihn für ein Ungeheuer hält.«
»Ja, ich sah in ihm ein Ungeheuer«, gab Lara zu und rieb sich ihr Handgelenk, das bei der Erinnerung wieder schmerzte.
Sofort nahm Nicolas ihre Hand und hauchte einen Kuss auf die nur noch leicht erkennbaren Narben. Du hattest ja auch Grund dazu. Aber hab kein schlechtes Gewissen, nachdem du gerade deine Tanten gerettet hast. Niemand anders hätte sie befreit. Ohne dich wären sie für alle Zeiten Gefangene geblieben, und alle würden noch immer glauben, Razvan wäre in Xaviers Fußstapfen getreten.
»Wir durften unser Gefängnis schon seit vielen Jahren nicht mehr verlassen«, erklärte Tatijana. »Wir waren gefroren und schliefen die meiste Zeit, seit du nicht mehr da warst. Wir erwachten nur, wenn er kam, um unser Blut zu nehmen. Es tut mir leid, aber wir wissen nur noch, was in der Vergangenheit geschehen ist.«
Branislava blinzelte heftig. »Ich möchte mit euch plaudern, mit euch beiden, euch allen, und euch für unsere Rettung danken, doch ich bin zu schwach und desorientiert. Würdest du uns nach Hause bringen, Nicolas?«
»Das ist das Beste«, meinte Gregori. »Sie brauchen die heilende Erde, die man ihnen ihr Leben lang verweigert hat. Morgen Abend können wir ihnen mehr Blut geben, und mit der Zeit werden sie wieder gesund und kräftig werden.«
»Die Erde könnte kontaminiert sein«, wandte Lara ein.
»Höchstwahrscheinlich ist sie das«, stimmte Gregori ihr zu. »Aber sie ist alles, was wir derzeit haben. Wir können nur eins nach dem anderen in Angriff nehmen. Wenn deine Tanten sich bei dir wohlfühlen, dann müssen sie zu dir nach Hause, um zu genesen. Mit allem anderen beschäftigen wir uns später.«
Lara nickte, obwohl ihr vor dem Gedanken graute, dass ihre Tanten sich in der Erde infizieren könnten.
»Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ist es der Mann, der sich zuerst ansteckt«, sagte Gregori. Offenbar hatte er erraten, was sie dachte.
Spürbare Aufregung machte sich in der karpatianischen Gemeinde breit, als sich herumsprach, dass zwei Frauen aus der Familie der Drachensucher gerettet worden waren. In Begleitung Vikirnoffs ging Nicolas hinaus, um mit den unverheirateten Männern zu sprechen, die das Haus des Prinzen bewachten. Da bei Dominic der Verdacht bestand, dass sein Blut von Parasiten befallen war, waren Nicolas und Vikirnoff, die beiden nächsten männlichen Verwandten, jetzt die offiziellen Hüter von Branislava und Tatijana.
Draußen wurde es schon hell, und unwillkürlich zuckte Nicolas zusammen. Er liebte die Nacht. Selbst im frühen Morgenlicht verspürte er schon ein Brennen auf der Haut, obwohl er sich eingestehen musste, dass das wohl in erster Linie ein psychologisches Problem war. Einige Karpatianer spazierten gern in den frühen Morgenstunden durch das Dorf – aber Nicolas gehörte nicht zu ihnen.
Er dankte den Männern, die ihnen zu Hilfe gekommen waren, berichtete ihnen alles, was sie herausgefunden hatten, und bestätigte, dass Branislava und Tatijana tatsächlich Rhiannons Töchter waren. »Doch sie sind krank und brauchen für eine Weile Ruhe, bevor sie in die karpatianische Gesellschaft eingeführt werden können«, fügte er hinzu und versuchte, taktvoll zu sein, als er den Männern erklärte, dass sie nicht sofort den Frauen vorgestellt werden konnten. Denn was er eigentlich sagen wollte, war, dass sie die Frauen verdammt noch mal in Ruhe lassen sollten. Schließlich hatten die beiden genug durchgemacht und konnten es nicht brauchen, dass die Männer wie ein Rudel hungriger Wölfe um sie herumschlichen. Während er sprach, spürte er Laras Belustigung. Er konnte sie zwar nicht sehen, da sie in Mikhails Haus bei ihren Tanten war, doch er merkte, dass sie ihn auslachte.
Was findest du so komisch?
Dass du immer allen vorschreiben musst, was sie zu tun und zu lassen haben.
Sein Magen verkrampfte sich bei ihrem verspielten Ton. Er hatte wieder einmal in der Ausübung der Pflicht den Spaß vergessen. Ich will nach Hause, Lara. Weil er sie in den Armen halten und küssen wollte. Und ich will nur dir vorschreiben, was du tun sollst.
Darüber lachte sie. Du würdest die ganze Welt herumkommandieren, wenn du damit durchkämst.
Vielleicht ist das wahr, aber nur, weil ich immer recht habe.
Nicolas überließ es Mikhail, den anderen klarzumachen, dass sie Branislava
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