Fluch der Nacht: Roman
wusste, wie der andere vorging, sodass sie sich nie auch nur umzuschauen brauchten, um zu sehen, ob sie Rückendeckung hatten. Sie verschmolzen zu einem Ganzen und durchsäbelten mit tödlicher Genauigkeit die Reihen von Xaviers Wächtern.
Das Eis dehnte sich und zog sich zusammen, als aus allen Richtungen noch mehr Todessklaven herbeigelaufen kamen und sich ins Kampfgetümmel stürzten. Sie mussten andere Eingänge bewacht haben und durch den Lärm auf das Geschehen aufmerksam geworden sein. Sie schwärmten in den Raum, hieben mit tödlichen Schwertern nach den Karpatianern und attackierten sie mit aus Verzweiflung geborener blinder Wut. Xavier bestrafte jeden, der versagte, und selbst die Toten hüteten sich davor, ihn zu verärgern.
Lucian wartete, bis der Kampf am wildesten tobte und der ganze Raum vor Energie pulsierte. Dann begann er, die Energie zu einer Kugel zu vereinen und aus jeder nur erdenkbaren Quelle Kraft zu ziehen. Die Kugel wurde heller und heißer, sodass er gezwungen war, sie zu verdecken, um selbst nicht zu erblinden. Doch noch immer zog er Energie zu sich heran, sammelte jedes kleine bisschen, das er sich von seinen Gefährten borgen konnte, ohne sie zu schwächen. Als die Kugel vor Macht vibrierte und zu explodieren drohte, rief er Nicolas.
Deine Sonne ist fertig.
Jetzt Nebel. Nicolas gab den Befehl auf dem gewohnten Kommunikationsweg weiter und wechselte die Gestalt.
Die anderen Karpatianer taten es ihm augenblicklich nach.
Lucian setzte die wirbelnde Energiemasse frei, ein blendend weißes Licht, das völlig unkontrolliert durch das Zimmer raste. In der Eishöhle wurde es taghell – nein, heller noch, als wäre eine Bombe detoniert, deren Feuer ebenso gleißten wie die Sonne.
Die Todessklaven stießen einen ungläubigen Schrei aus, dessen schriller Ton die Eiskammer erschütterte und ihre Decke und Wände mit tiefen Rissen überzog. Die substanzlosen Körper der Lakaien Xaviers erglühten, zersprangen zu Molekülen und regneten zu Boden.
Raus! Nicolas bewegte sich schon auf die Eingangsröhre zu.
Als auch Vikirnoff und die anderen ins Freie kamen, schrien Branislava und Tatijana auf und hielten sich die Augen zu. Beide hatten die Eishöhlen noch nie zuvor verlassen, und die weite, offene Landschaft wirkte beängstigend auf sie. Die männlichen Karpatianer umringten sie, schützten sie vor der frühmorgendlichen Dämmerung und nahmen sie in ihre Mitte, damit die beiden Frauen sich sicherer fühlten.
Lara warf keinen Blick zurück, als sie sich zur Residenz des Prinzen aufmachten. Sie wollte die Eishöhlen nie wiedersehen. Sie klammerte sich an Nicolas’ und Tatijanas Hände, als er sie durch den Himmel zu dem tiefen Wald hinübertrug.
Francesca war schon informiert worden und wartete bei Mikhail, um Rhiannons Töchter zu begrüßen. Die beiden Frauen waren dünn und schwach, ihre Körper ausgelaugt vom Schmerz, ihre Muskeln immer noch verkrampft und steif. Lara saß zwischen ihnen und hielt ihre Hände, während die zwei Heiler sich nach Kräften um sie bemühten. Mikhail und Gregori gaben ihnen Blut, während draußen die Karpatianer, die keine Gefährtinnen hatten, einen schützenden Ring um das Haus bildeten.
»Wie kommt es, dass ihr durch und durch Karpatianerinnen seid?«, fragte Lara, obwohl ein leises Schuldbewusstsein sie quälte, dass sie ihren Tanten schon Fragen stellte, obwohl sie noch so schwach waren und dringend in der heilenden Erde ruhen mussten, um wiederhergestellt zu werden.
»Durch unsere Mutter«, erklärte Tatijana. »Es war die einzige Möglichkeit, die ihr einfiel, um uns zu helfen, gegen Xavier anzukämpfen. Und wir haben das Gleiche für Razvan getan, deinen Vater, nachdem Xavier unseren Bruder getötet hatte.«
Nicolas kniete sich neben sie. »Ich bin Nicolas, Laras Seelengefährte. Lara und ich würden uns sehr geehrt fühlen, euch mit heimzunehmen und für euch zu sorgen, bis ihr wieder ganz bei Kräften seid, aber wir bringen euch auch gern woandershin, falls euch das lieber ist.«
»Nein, wir möchten natürlich bei Lara sein«, erwiderte Branislava. Mit einem schwachen Lächeln, das jedoch voller Liebe war, berührte sie ihre Nichte am Arm. »Wir hätten nie gedacht, dass du unseretwegen zurückkommen würdest, Kind.«
»Danke, Lara«, fügte Tatijana hinzu. »Wir hatten schon jede Hoffnung aufgegeben.«
»Habt ihr Neuigkeiten von meinem Bruder?«, fragte Natalya. »Wir dachten, er sei zum Vampir geworden.«
»Xavier quält ihn mit der
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