Fluch der Nacht: Roman
Finger und dann auf den Boden tropfte.
Ihr drehte sich der Magen um, und verzweifelt sah sie auf Terry. Doch auch das war ein Fehler, denn nun stellte sie sich die Parasiten vor, die durch seine Blutbahn zu seinen Organen ausschwärmten, einen massiven Angriff starteten und mit dem Heiler und Nicolas um den Besitz des Körpers rangen.
Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. Terrys Gesicht veränderte sich vor ihren Augen, seine jungenhaften Züge verwandelten sich, bis es die eines unbestreitbar gut aussehenden Mannes waren, mit funkelnden türkisfarbenen Augen und pechschwarzem Haar, das mit silbernen Strähnen durchsetzt war und ihm in die Stirn fiel. Die Augen suchten ihren Blick.
Lara stockte der Atem, als sie die Qual darin sah, das schmerzhafte Bewusstsein, den ohnmächtigen Zorn und eine Furcht, die so groß war, dass sie den ganzen Raum ausfüllte. Und die Wände, als wären sie außerstande, solche Schrecken in sich zu bergen, wölbten sich nach außen.
Lauf, Lara! Lauf und versteck dich! Sie hörte das Schluchzen in der Stimme des Mannes, das maßlose Entsetzen.
Nicolas fand sich, zitternd vor Kälte, in einer ganz aus Eis bestehenden Kammer wieder. An eine Wand gekettet, Arme und Brust brennend von mit ätzendem Vampirblut bedeckten Kettengliedern, rang Razvan darum, die Kontrolle über seine eigene Seele zu behalten. Seine Augen waren aufgewühlt vor Schmerz, sein schwarzes Haar ganz silbern schon von den erlittenen Qualen.
Lara. Die flüsternde Stimme war voller Liebe, aber auch geprägt von Angst und bitterer Verzweiflung. Lauf meine Kleine. Er kommt, und ich kann dich nicht beschützen.
Nicolas fühlte ein Entsetzen in sich erwachen, das ihn zu ersticken drohte. Als er den Kopf wandte, um einen Blick in die Ecke zu werfen, sah er, dass das kleine Mädchen diesmal älter war. Vielleicht vier oder fünf. Sie kauerte zitternd an der Wand, Tränen liefen ihr übers Gesicht, und ihr Herz schlug so laut, dass er es über seinen eigenen schnellen Herzschlag hören konnte.
Schleppende Schritte näherten sich von hinten. Nicolas fuhr herum und sah eine scheußliche Kreatur, die halb Gerippe war, halb Mann, in ihre Richtung kommen. An einigen Stellen hing ihm die Haut schon von den Knochen, während sie an anderen noch straff und fest war. Alles Fleisch war jedoch verrottet und verfault. Ein paar lange Strähnen grauen Haares hingen büschelweise von seinem kahlen Schädel. Er hatte einen fransigen, ihm bis zur Brust reichenden Bart, in dem es nur so wimmelte von Ungeziefer. Seine zu Krallen verformten Hände endeten in langen gelben Nägeln. Verfaulte schwarze Zähne offenbarten sich bei einem makaberen, bösen Grinsen. Die Augen in dem, was von seinem Gesicht noch übrig war, waren jedoch lebhaft und glühten geradezu vor Wahnsinn.
Nicolas’ Furcht verschärfte sich, bis auch sein Herz in banger Erwartung fast schmerzhaft hart gegen seine Rippen schlug und seine Lungen brannten. Mühevoll rang er nach Atem.
Nicolas! Mikhails scharfe Stimme befahl ihm, in die Gegenwart zurückzukehren. Beruhige dich, kleine Schwester! Du bist in Sicherheit , fügte der Prinz in sanfterem Ton hinzu, um Lara die Furcht zu nehmen.
Nicolas kannte nur einen Weg, um seine Seelengefährtin vor ihren albtraumhaften Erinnerungen zu bewahren, vor diesen Rückblenden, die in der Enge des Hotelzimmers mit immer schärferen Bildern wiederkehrten. Er hob sie auf seine starken Arme, drang ganz und gar in ihr Bewusstsein ein und übernahm dort die Kontrolle. Sie hatte Drachensucher-Blut in ihren Adern und war zweifelsohne in der Lage, sich mit seiner Hilfe zu verwandeln. Mit diesem Gedanken löste er sich und sie in feinen Dunst auf und brachte sie aus dem Zimmer, aus dem Gasthof und in die frische, saubere Nachtluft hinaus.
4. Kapitel
L ara stand plötzlich mitten in einer erstaunlich warmen Höhle tief unter der Erde. Wasser lief von den Wänden in einen dampfend heißen Teich, Duftkerzen in Wandhaltern verbreiteten flackerndes Licht und warfen Schatten auf die seltsam glitzernden Wände. Lara war so perplex, sich in dieser Umgebung wiederzufinden, dass sie sich einmal schnell im Kreis drehte und die Finger um den Griff des Messers krallte, das sie seitlich an ihrem Gürtel trug.
Nervös befeuchtete sie dann die Lippen und wandte sich an Nicolas. »Wo bin ich hier, und wie bin ich hergekommen?«
»Bevor du durchdrehst und das Messer, das du in der Hand hast, nach mir wirfst«, erwiderte er gedehnt, »solltest du wissen, dass
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