Fluch der Nacht: Roman
und vermied es, Nicolas anzusehen.
»Es ist niemandem etwas geschehen«, sagte er, um einen leisen, sanften und beruhigenden Ton bemüht, obwohl er fest mit einer Hand ihr Kinn umfasste und sie zwang, ihn anzusehen. »Niemand hier würde dir etwas antun, Lara.«
Ihr Herz schlug viel zu schnell. Er legte seine flache Hand auf ihre Brust, sandte Wärme in die Eiseskälte ihres Körpers und verlangsamte ihren Herzschlag, bis er so ruhig und regelmäßig wie der seine war. Sie schnappte nach Luft, als könnte sie nicht atmen, und Nicolas senkte seinen dunklen Kopf auf ihren, damit ihr Atem sich vermischte, bis sie sich entspannte und ihre Atemzüge langsamer und müheloser wurden. Die ganze Zeit über ließ sie seinen Blick nicht los, und er ahnte Tränen in ihren Augen, auch wenn sich darin keine zeigten.
»Ich werde den Geruch neutralisieren.« Gregori, sieh sie bitte nicht direkt an, da ist etwas an deinen Augen, das böse Kindheitserinnerungen in ihr weckt. »Du hättest mir sagen sollen, dass er dich stört. Als dein Seelengefährte muss ich dich vor solchen Dingen beschützen.«
»Ich bin eine erwachsene Frau und kein kleines Mädchen mehr, Nicolas.«
In ihren Erinnerungen hatte sie seine Anwesenheit gespürt, vor allem, als er das Kind, das sie darin gewesen war, aus der Eishöhle herausgetragen hatte. Er war ihr dort ein Trost gewesen, und auch jetzt, obwohl ihre Unterlippe vor Angst zitterte, versuchte sie nicht, sich seiner Berührung zu entziehen. Er beugte sich vor und strich ganz sanft mit seinen Lippen über ihre. Für einen weiteren langen Moment hielt er ihren Blick mit seinem fest, und sie konnte seine Anwesenheit in ihrem Bewusstsein spüren, wo er sich vergewisserte, dass die albtraumhafte Welt ihrer Kindheit weit genug zurückgewichen war, um ihr ein bisschen Frieden zu gewähren.
»Alles in Ordnung mit dir, Lara?«, fragte Mikhail.
Seine Stimme war sanft wie Nicolas’, bemerkte sie. Wahrscheinlich dachten sie, sie stünde kurz vor einem Zusammenbruch. Und vielleicht war es ja auch so. Aber Nicolas hatte den Geruch nach fauligem Fleisch und Blut verschwinden lassen und ihn durch den frischen Duft des Waldes ersetzt. Sie konnte sogar eine leichte Brise auf ihrem Gesicht spüren. Abgesehen davon, dass ihr Verhalten ihr schrecklich peinlich war, ging es ihr gut. Sie versuchte immer noch, auf keinen Fall den Heiler anzusehen, obwohl sie wusste, dass sie, von seinen merkwürdigen Augen angezogen wie eine Motte vom Licht, es nicht lange würde vermeiden können.
Lara ergriff die Hand, die Nicolas ihr reichte, und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen. »Es geht mir gut, danke. Ich hoffe, dass niemandem etwas geschehen ist.«
»Wäre ich verletzt, würde Gregori das im Handumdrehen in Ordnung bringen«, beruhigte Mikhail sie schmunzelnd. »Lass dir von ihm keine Angst einjagen! Er übt diesen Blick jeden Abend unten am See.«
Bevor sie es verhindern konnte, sah Lara zu Gregori hinüber. Seine silbrigen Augen flößten ihr Unbehagen ein, aber trotzdem zwang sie sich, ihn anzusehen. »Ich habe keine Angst, und mein Verhalten tut mir leid. Ich wollte wirklich niemanden verletzen.«
»Das hast du auch nicht, kleine Schwester«, sagte Gregori, den Blick absichtlich immer noch auf Terry gerichtet. »Doch wenn wir deinem Freund helfen wollen, müssen wir uns beeilen.«
Lara blieb fast das Herz stehen, als sie plötzlich merkte, dass sie Terry und Gerald vergessen hatte, die nicht nur ihr seltsames Verhalten, sondern auch ihren Umgang mit Energie mitangesehen hatten. Sie hätte sich jedoch keine Sorgen machen müssen, denn keiner der beiden schien sie zu beachten. Einer der drei Karpatianer hatte ihre Sinne blockiert und ihnen falsche Erinnerungen an das Geschehene eingegeben.
Lara war sehr beschämt über ihr Benehmen vor diesen Männern. Nicht einmal um ihre Freunde hatte sie sich gekümmert! Entschlossen straffte sie ihre Schultern und trat einen Schritt auf das Bett zu. Die Gegenwart der Parasiten hatte ihren schrecklichen Kindheitserinnerungen Tür und Tor geöffnet.
»Stell dich an die Tür!«, befahl ihr Nicolas jedoch und verstellte ihr auch jetzt wieder den Weg zum Bett. »Wir wollen doch nicht, dass die Wirtin oder ihr Mann in dieses Zimmer kommen. Das ist zu gefährlich.«
Lara versuchte, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen, nickte und trat zurück, um den Karpatianern Platz zu machen. Mit dem Rücken lehnte sie sich an die Tür und sah dem Heiler bei der Arbeit zu. Sie
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