Fluch der Nacht: Roman
wohl nicht von Xavier und Razvan gesehen werden wollte, die einander gegenüberstanden.
Lara, flüsterten die schon vertrauten weiblichen Stimmen. Xavier darf nie erfahren, dass du weißt, was er deinem Vater antut. Er würde dich umbringen. Du kannst es auch deinem Vater nicht sagen, nicht einmal, um sein Gewissen zu erleichtern, denn wenn Xavier seinen Körper in Besitz nimmt oder Razvan anderswie von ihm beherrscht wird, wird er all eure Geheimnisse verraten.
Ich weiß, dass mein Vater mir nichts Böses will, und wenn ich es ihm sage, wird er vielleicht sogar noch härter kämpfen. Hoffnung – und auch ein bisschen Trotz -schwangen in der kindlichen Stimme mit.
Er wird dich verraten. Nicht, weil er es will, sondern weil er gar nicht anders kann, Lara!
Ihr seid viel länger Gefangene gewesen. Lara war verärgert und glaubte ihnen nicht. Und euch kann Xavier nicht beherrschen.
Razvan ist gefoltert worden, Lara, und Xavier hat mit ihm herumexperimentiert, immer und immer wieder. Dein Vater ist mit seiner Gesundheit und Kraft am Ende. Xavier kann sich die Macht eures Blutes noch immer nicht erklären. Sobald er es tut, wird es keine Chance mehr geben zu entkommen.
Nicolas spürte den Hang zum Eigensinn in Lara. Sie antwortete ihren Tanten nicht, weil sie sie nicht mit einer glatten Lüge täuschen wollte, aber dennoch fest entschlossen war, zu ihrem Vater zu gehen und ihr Wissen mit ihm zu teilen.
Als spürten die Tanten Laras grimmige Entschlossenheit, versuchten sie es noch einmal und sprachen in perfektem Einklang mit sanften, melodiösen Stimmen auf sie ein. Nicolas erkannte die Fäden eines mit der Stimmlage verwobenen Zwanges. Beide Frauen waren schwach, und die Suggestion würde bei einem stärkeren Geist nicht wirken, aber auch Lara war nicht gesund, und ihr Geist war nahezu gebrochen worden.
Lara, du darfst deinem Vater keine Informationen geben, die Xavier ja doch nur gegen ihn verwenden würde. Razvan würde nicht wollen, dass du das tust. Er hat Xavier in all diesen langen Jahren standgehalten und sich gegen ihn gewehrt, weil sein Drachensucher-Blut so stark ist. Xavier weiß, dass es mit Razvan bald zu Ende gehen wird und er einen Ersatz für ihn finden muss. Wenn du deinem Vater ausgerechnet jetzt, da er am schwächsten ist, Informationen gibst, mit denen Xavier dir wehtun könnte, wird Razvan überzeugt sein, alle Ehre verloren zu haben.
Das Kind, das Lara war, kniff die Augen zusammen. Sie verstand nicht wirklich alles, was die Tanten ihr sagten. Aber sie hatte begriffen, dass sie ihren Vater nicht mit ihrem Wissen trösten konnte, dass Xavier sich entweder seinen Körper zu eigen machte oder ihn mit einer Kombination aus Drogen und Magie dazu brachte, seine Befehle auszuführen.
Nicolas merkte, dass Lara ihm noch mehr entglitt und die überwältigende Verzweiflung, die sie beherrschte, noch stärker war denn je. Mit einem wehmütigen Ausdruck starrte sie ihren Vater an. Nicolas wurde von dem starken Drang erfasst, sie in die Arme zu nehmen und sie an sich zu drücken, aber erstens hatte er keinen wirklichen Körper, und zweitens vertraute sie ihm noch immer nicht. Und jetzt verstand er auch, warum. Verstand ihr Bedürfnis nach Kontrolle und Freiheit. Und natürlich verstand er auch ihre starke Abneigung dagegen, sich von irgendjemandem ihr Blut nehmen zu lassen.
Razvan sah sehr geschwächt aus, sein einst so gut aussehendes Gesicht war entstellt von Qual und Leiden. Tiefe Falten durchzogen es, und die Ketten um seine Arme und Beine hatten bleibende Brandnarben von dem Vampirblut hinterlassen, mit denen sie besudelt waren. Kraftlos lehnte er sich an eine Säule, ohne auch nur zu versuchen, von Xavier wegzukommen, der eine kleine Phiole aus der Tasche seines Gewandes zog. Nicolas spürte, wie Lara sich versteifte, wie ihr kleiner Geist zurückwich.
Interessiert trat er vor sie, um sie abzuschirmen gegen das Schreckliche, das sie erwartete. Xavier experimentierte offensichtlich mit Razvan, und Nicolas erhielt nicht nur die verschiedensten wichtigen Informationen über seine Seelengefährtin, sondern erfuhr auch Dinge, die den Karpatianern nützlich sein würden. Nicolas wünschte jetzt, er könnte Dominic daran hindern, seine Pläne weiterzuverfolgen. Wenn Xavier sich veranlasst gesehen hatte, mit Razvan herumzuexperimentieren, weil dieser Drachensucher-Blut in seinen Adern hatte, wäre Dominic zweifellos ein wertvoller Gewinn für Xavier. Die meisten Experimente drehten sich offenbar darum,
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