Fluch der Nacht: Roman
die Kontrolle über die Karpatianer zu erlangen oder einen Weg zu finden, sie gefangen zu nehmen, aber am Leben zu erhalten.
Ihres Blutes wegen , flüsterte Laras Stimme ihm zu, aber es war die der erwachsenen Frau und nicht die des Kindes. Er will euer Blut auf die gleiche Weise, wie ihr es von euren Quellen wollt. Er wird euch gefangen halten und euch leer saugen. Ihr wärt nichts als eine Nahrungsquelle für ihn.
Nicolas’ Stimme war von tiefer Zärtlichkeit geprägt, als sein Herz das ihre zu erreichen suchte. Lara. Ich will dich nicht deines Blutes wegen. Komm zu mir zurück! Bin ich wirklich schlimmer als diese Hölle in deiner Vergangenheit?
Für einen Moment glaubte er, diese erste Schlacht gewonnen zu haben, aber dann bewegte sich Xavier, und das Kind war wieder da und erschauderte genauso heftig wie sein Vater. Die kleine Lara versteckte sich wieder hinter der Säule, als Xavier, die Phiole in den knotigen Fingern, über den Boden der Eishöhle zu ihrem Vater hinüberhumpelte.
»Du hättest mir geben sollen, was ich haben wollte. Mir deine Schwester zu überlassen, war wirklich nicht zu viel verlangt im Austausch gegen dein Leben und das deiner Kinder.« Der alte Mann schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Und so viele Kinder! Du hast deine arme tote Frau betrogen. All diese reizvollen jungen Frauen, die willens waren, mit dir das Bett zu teilen und dir Kinder zu schenken, damit du ihnen das Leben aussaugen konntest.«
Razvan machte eine ärgerliche Bewegung. »Du hast ihnen das Leben ausgesaugt und mich gezwungen, meine Frau zu hintergehen. Sie kannte die Wahrheit und wusste, dass du meinen Körper benutztest. Lass mich sterben, alter Mann! Ich habe dir schon viel zu lange gedient und kann dir nicht mehr nützlich sein.«
Lara zuckte zusammen und schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre rotgoldenen Locken in alle Richtungen flogen. Verlass mich nicht, Vater! Das könnte ich nicht ertragen.
Dir zuliebe wird er am Leben bleiben, Kind, flüsterten die Tanten beruhigend. Du bist der einzige Grund für ihn weiterzuleben.
Nicolas empfand den Klang der beiden sanften Frauenstimmen als sehr beruhigend. Ohne sie hätte Lara – und höchstwahrscheinlich auch ihr Vater – schon vor Jahren den Verstand verloren. Die beiden gefangenen Frauen hielten die Hoffnung wach. Wie konnten sie das, da beide doch selbst schon von Kindesbeinen an Gefangene gewesen waren und Xaviers Blutdurst hatten stillen müssen? Das Drachensucher-Blut in ihnen musste sehr, sehr stark sein.
Razvan hob den Kopf, sein Blick glitt durch den Raum und suchte das Kind, von dem er annahm, dass es die Konfrontation zwischen ihm und ihrem Großvater mitansah. Lara erstarrte und presste sich an die Säule, so fest sie konnte, um nicht entdeckt zu werden.
Xavier stieß mit einem lang gezogenen Zischen den Atem aus. »Ich glaube, wir können immer noch ein paar Kinder aus dir herausholen, bevor ich mit dir fertig bin. Dank dir können meine Armeen sich jetzt untereinander erkennen und sogar ihre Existenz vor diesen dummen Karpatianern verbergen. Und ich kann selbst den stärksten Gefangenen festhalten und mich von dem Blut des mächtigsten Unsterblichen ernähren, was ich dir auch zu verdanken habe. Warum sollte ich ein solch nützliches Werkzeug so überstürzt loswerden wollen? Du magst zwar nicht das reine Blut haben, das ich selbst benötige, aber du gibst es immerhin an deine Kinder weiter.«
Aus vergangenen Jahrhunderten erinnerte sich Nicolas, dass Xavier immer gern im Vordergrund gestanden hatte. Er hatte sich für brillant und mächtig gehalten und hatte stets gewollt, dass jeder in seinem Umkreis das auch wusste. Nicolas hatte ihn schon immer für ausgesprochen egoman gehalten. Xavier prahlte gern und schien überzeugt davon zu sein, dass die Welt ihm Ergebenheit und Respekt schuldete. Er glaubte, das Recht auf jede Frau zu haben, die sein Interesse weckte. Lange bevor Rhiannon verschwand, hatten viele junge Magierinnen ihr Leben der Erfüllung seiner Wünsche und Bedürfnisse gewidmet. Sehr oft hatte Xavier die karpatianischen Männer mit Geschichten über sein erotisches Geschick und seine Eroberungen unterhalten, aber nie gemerkt, wie wenig Respekt sie ihm entgegenbrachten, weil er keine Achtung vor den Frauen hatte.
Nun, da er sich seit Jahrhunderten verbergen musste, hatte Xavier außer seinen Gefangenen niemanden mehr, vor dem er große Reden schwingen konnte, und es war nur allzu offensichtlich, dass er Razvans Qual
Weitere Kostenlose Bücher