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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Klebestreifen daran fest.
    »Klingt blöd, wenn man sagt, man hätte jemanden mit Tesa an einen Baum geklebt, aber nur, solange es noch niemand mit dir selbst gemacht hat. Wenn du genug von dem Scheißzeug um dich rumgewickelt kriegst, kannst du gleich aufgeben. Du wirst solange bleiben, wo du bist, bis jemand kommt und dich losschneidet. Klebeband ist zäh. Du kannst es nicht zerreißen und erst recht nicht aufknoten.«
    Ginelli schnitt ihm ein Stück von seinem T-Shirt ab und stopfte es in seinen Mund. Darüber klebte er noch einen Streifen.
    »Und dann habe ich die Kassette im Walkman umgedreht und ihm die Kopfhörer wieder aufgesetzt. Ich wollte nicht, daß er Langeweile kriegt; wenn er aufwacht.«
    Ginelli lief jetzt auf der Straße weiter. Samuel Lemke und er waren ungefähr gleich groß, und er war bereit, das Risiko einzugehen, in die nächste Wache zu rennen, bevor er sie selbst bemerkte. Schließlich wurde es langsam spät, und er hatte in den letzten achtundvierzig Stunden bis auf zwei kurze Nickerchen keinen Schlaf gekriegt.
    »Wenn du nicht genug Schlaf hast, vermasselst du alles«, erklärte er. »Wenn du Monopoly spielst, mag das ja noch gehen, aber wenn du mit Scheißkerlen zu tun hast, die Leute erschießen und ihnen mit Hühnerblut bösartige Worte auf die Stirn schreiben, bist du auf dem besten Weg ins Jenseits.
    Wie es so kommt - ich habe einen Fehler gemacht. Mit viel Glück bin ich gerade noch mal davongekommen.
    Manchmal haben die Götter ein Einsehen.«
    Der Fehler war, daß er die zweite Wache nicht gesehen hatte, bis er beinahe neben ihr stand. Es lag daran, daß der zweite Mann sich in den tiefen Schatten der Bäume zurückgezogen hatte, anstatt, wie Lemke, offen auf der Straße zu stehen. Zum Glück für Ginelli tat er das nicht, weil er sich verbergen wollte, sondern aus reiner Bequemlichkeit. »Dieser hat nicht nur einem Walkman gelauscht«, erzählte Ginelli, »er hat tief und fest geschlafen. Lausige Wachen, aber was kann man von Zivilisten anderes erwarten? Sie hatten wohl noch nicht ganz begriffen, daß ich ein langwieriges, ernst zu nehmendes Problem für sie darstellen würde. Wenn man davon überzeugt ist, daß jemand einem ernsthaft an den Kragen will, bleibt man wach. Mann, das hält einen selbst dann wach, wenn man einschlafen möchte.«
    Ginelli ging zu dem schlafenden Wachposten hinüber, suchte sich eine passende Stelle an dessen Kopf aus, hielt den Gewehrgriff dagegen und schlug mit ziemlicher Gewalt zu. Es erzeugte ein Geräusch wie der schlaffe Schlag einer Hand auf eine Mahagonitischplatte. Der Wachposten, der bequem an einem Baumstamm gelehnt hatte, rutschte ins Gras. Ginelli beugte sich über ihn, um seinen Puls zu fühlen. Er war noch da, schwach zwar, aber nicht unregelmäßig.
    Fünf Minuten später erreichte er die Kuppe eines kleinen Hügels. Zu seiner Linken senkte sich ein flacher Hang aufs offene Feld hinunter. Etwa zweihundert Meter von der Straße entfernt entdeckte er die im Kreis abgestellten Fahrzeuge.
    Kein Lagerfeuer heute nacht. Nur schwaches, durch Vorhänge gedämpftes Licht, das aus den Fenstern einiger der Campingwagen fiel.
    Ginelli robbte, die Kalashnikov vor sich herschiebend, den Hügel bis zur Hälfte hinunter. Er fand eine Felsnase, die ihm sowohl erlaubte, das MG fest aufzulegen, als auch den ganzen Hang hinunter bis ins Lager ins Visier zu nehmen.
    »Der Mond ging gerade auf, aber ich hatte nicht vor, auf ihn zu warten. Für das, was ich mir vorgenommen hatte, konnte ich genug sehen – ich war jetzt nur noch etwa fünfundsiebzig Meter von ihnen entfernt. Und es war ja nicht so, daß ich saubere Arbeit leisten mußte. Dafür eignet die Kalashnikov sich sowieso nicht. Ebensogut könnte man versuchen, jemandem den Blinddarm mit einer Kreissäge herauszuschneiden. Die Kalashnikov ist ein gutes Gewehr, um Leute zu erschrecken, und das ist mit auch gelungen. Ich wette, sie haben jetzt alle gelbe Limonade in ihrer Bettwäsche. Allerdings nicht der Alte. Der ist so zäh, wie's nur geht.«
    Als er das Gewehr sicher aufgelegt hatte, atmete Ginelli tief durch und nahm den Einhornlaster aufs Korn. Er hörte Grillen zirpen und irgendwo in der Nähe einen Bach plät-schern. Über das dunkle Feld klagte ein Ziegenmelker sein Lied. Bei der Hälfte seiner zweiten Strophe eröffnete Ginelli das Feuer.
    Kalashnikovdonner zerriß die Nachtruhe. Feuer hing wie eine leuchtende Krone vor der Mündungsöffnung, als der erste Ladestreifen – dreißig

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