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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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in dieser befunden hatte.
    Tatsache war, daß die alte Zigeunerin nicht zwischen dem gelben Subaru und dem grünen Firebird mit den Rennstreifen hervorgeschossen gekommen war; Tatsache war eher, daß sie einfach zwischen den beiden Wagen hervor auf die Straße gegangen war. In ihrer arthritischen Hand mit den Leber-flecken hatte sie ein volles Einkaufsnetz gehalten. Es war so ein Einkaufsnetz gewesen, wie es die neuenglischen Haus-frauen zusätzlich in die Tasche steckten, wenn sie an der Hauptstraße einkaufen gingen. In diesem Einkaufsnetz hatte eine große Packung Waschpulver gesteckt, daran konnte Halleck sich noch gut erinnern. Sie hatte sich nicht umgesehen, das stimmte schon; aber die wichtigste Tatsache war, daß Halleck in dem Augenblick nicht schneller als fünfunddreißig Meilen in der Stunde gefahren war, und in dem Augenblick, als die alte Zigeunerin vor dem Olds aufgetaucht war, war er noch gute fünfzig Meter von ihr entfernt gewesen.
    Zeit genug, um zu bremsen, wenn man Herr der Lage gewesen wäre. Aber eine weitere Tatsache war leider, daß er sich in dem Moment kurz vor einem explosiven Orgasmus befunden hatte und daß seine gesamte Konzentration bis auf einen winzigen Bruchteil auf seinen Unterleib gerichtet gewesen war, wo Heidis Hand sich entspannte und wieder zusammenzog, wo sie in einem langsamen, köstlichen Rhythmus auf- und abglitt, innehielt, zudrückte, losließ und das Ganze von vorne. Seine Reaktion war hoffnungslos langsam gewesen und hoffnungslos spät. Und Heidis Hand hatte sich um seinen Penis verkrampft, hatte den durch den Schock hervorgerufenen Orgasmus erstickt, der sich dann doch in einer endlos langen Sekunde des Schmerzes und der Wollust entladen hatte, was zwar unvermeidlich, aber trotzdem grauenvoll gewesen war.
    Dies waren die Fakten. Halt, Moment mal, Leute! Wartet noch mal einen Augenblick, Freunde! Es gab da noch zwei weitere Tatsachen, oder etwa nicht? Die erste Tatsache war, daß er, wenn Heidi sich nicht ausgerechnet diesen Tag ausgesucht hätte, um ein bißchen Autoerotik zu üben, Herr der Situation geblieben wäre und seine Verantwortung als Au-tofahrer voll erfüllt hätte. Dann hätte der Olds gute drei Meter vor der alten Dame gehalten. Die Reifen hätten zwar so laut gequietscht, daß die Mütter die Kinderwagen ganz schnell an den Straßenrand geschoben hätten, um nachzusehen, was da los wäre. Und er hätte wahrscheinlich die Scheibe runtergekurbelt und sie angeschnauzt: ›Warum passen Sie nicht auf, wo sie hinlaufen?‹, und die Alte hätte ihn wohl mit dieser besonderen Mischung von Unverständnis und Angst angesehen. Heidi und er hätten ihr wohl nachgeblickt, wie sie über die Straße gewatschelt wäre, beide mit klopfendem Herzen, und Heidi hätte vermutlich über die durcheinandergeratenen Einkäufe gemeckert, die einen fürchterlichen Dreck auf dem Teppichboden im Wagenfond verursacht hätten.
    Aber es wäre alles gut gegangen. Es hätte keine Anhö-
    rung vor Gericht gegeben, und der alte Zigeuner mit der abfaulenden Nase hätte nicht vor dem Gerichtsgebäude auf ihn gewartet, um ihm über die Wange zu streicheln und ihm einen furchtbaren Fluch ins Ohr zu flüstern. Das war die erste nebensächliche Tatsache und die zweite, ebenso unterge-ordnete Tatsache, welche aus der ersten hervorging, war, daß eigentlich Heidi an allem schuld war. Es war alles ihre Schuld gewesen, wirklich alles! Er hatte sie schließlich nicht darum gebeten, das mit ihm zu machen, was sie getan hatte; er hatte nicht zu ihr gesagt: ›Sag mal, hast du nicht Lust, mich ein bißchen zu befriedigen, während wir so nach Hause fahren, Heidi? Es sind noch drei Meilen, also hast du Zeit genug.‹ Nein ... sie hatte es einfach getan ... und, was Wunder, ihr Timing war schauderhaft gewesen.
    Ja, es war ihre Schuld gewesen, aber das hatte der alte Zigeuner nicht gewußt, und deshalb hatte Halleck den Fluch abbekommen und mittlerweile insgesamt einundsechzig Pfund in kürzester Zeit abgenommen. Und sie saß da und hatte dunkle Ringe unter den Augen und ihre Haut war viel zu bleich, aber diese dunklen Ringe würden sie nicht töten, nicht wahr? Nein. Und auch die bleiche Haut nicht. Der alte Zigeuner hatte nicht sie angefaßt.
    Und so ging der Augenblick, in dem er ihr eigentlich seine Ängste eingestehen wollte, in dem er einfach zu ihr hatte sagen wollen: Ich glaube, ich nehme soviel ab, weil ich verflucht worden bin – so ging dieser Augenblick vorüber. Und im selben Moment schoß

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