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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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in seinen Augen hatte sie gesehen, selbst in dem Augenblick, in der er seine Hand gegen sie erhoben hatte, daß er es ebenfalls wußte.
    Er hatte mit Glenn Petrie ausgemacht, daß dieser ihn während seiner Abwesenheit vertreten sollte. Petrie war entsetzt gewesen, daß sein alter Freund, sein Kollege und Golfpartner, Cary Rossington, plötzlich an Hautkrebs er-krankt war.
    Danach, so berichtete Leda Rossington Billy Halleck, wären zwei Wochen gefolgt, die sie am liebsten vergessen hätte. Sie könne nur mit Mühe darüber sprechen. Cary hatte die meiste Zeit geschlafen wie ein Toter. Meistens oben im Schlafzimmer, manchmal in seinem großen, dick gepolsterten Sessel im Arbeitszimmer, manchmal auch einfach mit dem Kopf auf den Armen am Küchentisch. Jeden Nachmittag um vier hatte er zu trinken angefangen. Er hatte stundenlang mit einer offenen Whiskyflasche vor dem Fernseher gesessen, die er mit einer Hand hielt, welche sich allmählich immer mehr mit Schuppen überzog. Er hatte sich dämliche Komödien wie Hogan's Heroes und The Beverly Hillbillies angesehen, danach die regionalen und nationalen Nachrichten, hatte die noch blöderen Familienserien The Jocker's Wild und Family Feud angeglotzt, dann das dreistündige Hauptprogramm, gefolgt von noch mehr Nachrichten und den Spätfilmen, einen nach dem anderen. Das war bis drei, vier Uhr morgens so gegangen, und während der ganzen Zeit hatte er den Whisky wie Pepsicola direkt aus der Flasche getrunken.
    Manchmal hatte er geweint. Sie war ins Wohnzimmer gegangen und hatte mitangesehen, wie er vor dem Fernseher saß und weinte, während der in dem großen Farbkasten eingefangene Warner Andersen so begeistert: ›Auf geht's ins Videoland!‹ rief, als würde er damit alle seine kleinen Freundinnen zu einer gemeinsamen Kreuzfahrt nach Aruba einladen.
    An anderen Abenden – Gott sei Dank nur sehr wenigen – hatte er Tobsuchtsanfälle gekriegt. Dann war er durchs Haus gerast wie General Custer in Wounded knee. Er war durch die Räume getorkelt, die Whiskyflasche ständig in der Hand, die nun keine richtige Hand mehr war, und hatte rumgebrüllt, daß er Hautkrebs habe, ob sie ihn verstehe, er habe, verdammte Scheiße noch mal, Hautkrebs, und den hätte er von dieser gottverdammten UV-Lampe gekriegt, und er würde diese Quacksalber, die ihm das angetan hätten, verklagen, in Grund und Boden würde er sie stampfen, diese Bastarde, würde sie gerichtlich verfolgen und fertigmachen, bis sie nur noch in vollgeschissenen Unterhosen vor dem Richterstuhl stehen könnten. Manchmal, wenn er in dieser Stimmung war, hatte er auch etwas zerschlagen.
    »Schließlich fand ich heraus, daß er diese ... diese Anfälle ... immer an den Tagen bekam, an denen Mrs. Marley zu uns kam, um das Haus sauberzumachen«, sagte sie leise.
    »Weißt du, er ist immer auf den Dachboden gekrochen, wenn sie kam. Wenn sie ihn gesehen Jiätte, wäre die Geschichte in null komma nix in der Stadt herumgewesen. Ich glaube, in den Nächten nach diesen Tagen, die er allein im Dunkeln auf dem Dachboden verbracht hatte, hat er sich am meisten wie ein Ausgestoßener gefühlt. Dann muß er sich wie ein Monster vorgekommen sein.«
    »Dann ist er also in die Mayo-Klinik gegangen«, folgerte Billy.
    »Ja«, antwortete sie und sah ihn nach langer Zeit wieder an. Sie wirkte betrunken und entsetzt. »Was wird aus ihm werden, Billy? Was kann aus ihm werden?«
    Halleck schüttelte den Kopf. Er hatte nicht die geringste Ahnung und außerdem keine Lust, sich über diese Frage mehr Gedanken zu machen, als über das weltberühmte Pressefoto, auf dem ein südvietnamesischer General einem angeblichen Vietkongkollaborateur in den Kopf schießt. Ko-mischerweise konnte er nicht begreifen, daß diese beiden Sachen etwas miteinander zu tun haben könnten.
    »Hab ich dir schon erzählt, daß er einen Privatjet gechartert hat, um nach Minnesota zu fliegen? Er konnte es nicht mehr ertragen, daß Menschen ihn ansehen. Habe ich dir das erzählt, Billy?«
    Er schüttelte wieder seinen Kopf.
    »Was wird nun aus ihm werden?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Billy und dachte: Und, nebenbei bemerkt, was soll nun aus mir werden, Leda?
    »Ganz, zum Schluß, bevor er endlich aufgegeben hat und weggegangen ist, waren seine beiden Hände zu Klauen geworden. Seine Augen waren zwei ... zwei kleine, sprühende, dunkelblaue Funken in zwei spitzen, schuppigen Hornlöchern. Seine Nase ...« Sie stand auf und torkelte auf ihn zu. Dabei stieß sie an

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