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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unfähig, etwas zu sagen, nickte nur und stand auf, um sich nun doch an der Bar einen frischen Drink zu mixen.
    Das Sprechen schien ihr nun, da er sie nicht mehr ansah, da er ihr den Rücken zukehrte, leichter zu fallen. Er hielt sich absichtlich länger dort auf.
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11. Kapitel: Die Schuppen der
Gerechtigkeit
    Cary war sehr verärgert gewesen, als der Zigeuner ihn angefaßt hatte. Stinksauer. Am nächsten Tag war er gleich zu Allen Chalker, Raintrees Polizeichef, gegangen. Chalker, ein alter Pokerkumpel, hatte Verständnis für seinen Unmut gezeigt.
    Die Zigeuner wären direkt aus Fairview nach Raintree gekommen, hatte er Cary erzählt. Er hätte erwartet, berichtete er, daß sie von selbst wieder abhauen würden. Sie hätten sich schon seit fünf Tagen in Raintree aufgehalten. Normalerweise reichten ihnen drei Tage - Zeit genug für alle Teenager, sich die Zukunft voraussagen zu lassen, und für einige verzweifelte impotente Männer sowie der gleichen Anzahl ebenso verzweifelter frigider Frauen in den Wechseljahren, in der Geborgenheit der Finsternis ins Lager zu schleichen und sich ihre Kräutersäfte, Mixturen und seltsam öligen Salben zu besorgen. Gewöhnlich erlahmte das Interesse der Städter an den Zigeunern nach drei Tagen. Schließlich hatte Chalker vermutet, daß sie noch den Flohmarkt am Sonntag abwarten wollten. Dieses Ereignis fand nur einmal im Jahr statt und zog eine Menge Leute aus allen vier umliegenden Städten an. Anstatt ihnen Vorhaltungen wegen ihres verlängerten Aufenthalts zu machen - Zigeuner, erklärte er, könnten so gemein und häßlich werden wie Wespen, wenn man in ihr Nest stach –, hatte er beschlossen, sie noch die vorn Flohmarkt heimfahrenden Kunden bedienen zu lassen. Doch wenn sie am folgenden Montag nicht verschwunden wären, würde er ihnen Beine machen.
    Das war aber nicht mehr nötig gewesen. Am folgenden Montagmorgen war die Bauernkoppel, auf der sie gelagert hatten, leergefegt bis auf ein paar Reifenspuren, leere Bier- und Limonadedosen (offenbar hielten die Zigeuner nichts von Connecticuts neuem Leergut-Recycling-Gesetz), die verkohlten Überreste mehrerer kleiner Feuerstellen und drei oder vier zerlumpte Decken, die so verlaust waren, daß der Deputy, den Chalker geschickt hatte, um nach dem Rechten zu sehen, nur mit einem Stock hineingepiekst hätte - einem langen Stock. Irgendwann zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang hatten die Zigeuner das Feld geräumt, hatten Raintree den Rücken gekehrt, Patchin County hinter sich gelassen, waren, wie Chalker seinem Pokerkumpel anvertraute, soweit er wußte und wenn's nach ihm ginge, vom Erdboden verschwunden. Ein Glück, daß sie sie los waren.
    Am Sonntagnachmittag hatte der alte Zigeuner Carys Gesicht berührt; am Montagvormittag war Cary zu Chalker gegangen, um den Alten anzuzeigen (welche rechtliche Grundlage er dafür gehabt haben könnte, war Leda Rossington nicht ganz klar); am Dienstagmorgen hatte der Kummer begonnen. Nach dem Duschen war Cary nur mit dem Bademantel bekleidet an den Frühstückstisch gekommen und hatte zu ihr gesagt: ›Sieh dir das mal an.‹
    ›Das‹ stellte sich als ein Flecken aufgerauhter Haut ein kleines Stückchen über seinem Solarplexus heraus. Er war eine Spur heller als die Haut in seiner Umgebung, die einen milchkaffeebraunen Ton aufwies. (Golf, Tennis, Schwimmen und regelmäßige UV-Bestrahlung im Winter hielten Carys Bräune ständig unverändert.) Sie fand, daß der rauhe Fleck gelblich aussähe. Wie die Hornhaut an den Füßen und Fersen, wenn sie bei heißem Wetter etwas austrocknete. Sie hatte die Stelle mit den Fingerspitzen berührt (hier schwankte ihre Stimme etwas) und die Hand schnell wieder zurückgezogen. Die Struktur war aufgerauht, beinahe wie Schiefer, und erstaunlich hart gewesen. Gepanzert – das war das Wort gewesen, das ihr damals ganz unwillkürlich in den Sinn gekommen war.
    »Du glaubst doch nicht, daß dieser verdammte Zigeuner mir etwas verpaßt hat, oder?« hatte Cary sie besorgt gefragt.
    »Scherpilzflechte oder Blasengrind oder sonst eine vermaledeite Krankheit?«
    »Liebling, er hat dich im Gesicht berührt und nicht an der Brust«, hatte sie darauf erwidert. »Jetzt zieh dich schnell an, es gibt brioches zum Frühstück. Nimm den dunkelgrauen Anzug und den roten Schlips. Sei ein Schatz und zieh deine Dienstagssachen für mich an, ja? Wie lieb du bist.«
    Zwei Abende später hatte er sie zu sich ins Badezimmer gerufen. Er hatte fast gekreischt, so daß sie

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