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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Menschen ausspricht, aber nur sehr wenige darüber, wie man sie wieder rückgängig macht.«
    »Na gut. Vielleicht kann er's nicht. Möglich. Höchstwahrscheinlich sogar. Aber ich kann trotzdem zu ihm gehen, verdammt noch mal. Ich kann ihm gerade in die Augen sehen und zu ihm sagen: ›Du hast zu wenig Stücke aus der Torte herausgeschnitten, mein Lieber. Es fehlt noch eines für meine Frau und eines für deine Frau, und wenn wir schon dabei sind, wie war's mit einem Stück für dich selbst? Wo warst du, als sie einfach so auf die Straße rannte, ohne sich umzugucken, wohin sie lief? Falls sie den Stadtverkehr nicht gewohnt war, dann mußt du das doch gewußt haben! Also, wo warst du? Warum warst du nicht zur Stelle, um sie an die Hand zu nehmen und zur nächsten Ampel an der Kreuzung zu führen? Warum ...‹«
    »Es reicht«, unterbrach ihn Hopley. »Säße ich in der Jury, Sie hätten mich überzeugt, Halleck. Aber Sie vergessen dabei den wichtigsten Faktor.«
    »Und welcher wäre das?« fragte Billy steif.
    »Die Natur des Menschen. Wir mögen zwar die Opfer von übernatürlichen Kräften geworden sein, aber womit wir es hier eigentlich zu tun haben, das ist die Natur des Menschen. Als Polizist – Verzeihung, ehemaliger Polizist -
    könnte ich Ihnen nicht eifriger zustimmen. Es gibt nur verschiedene Grautöne, die ineinander übergehen. Ein grauer Schatten in den nächsthelleren oder nächstdunkleren. Aber Sie glauben doch nicht ernsthaft, daß ihr Ehemann Ihnen diesen Mist abkaufen wird, oder?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber ich weiß es, Halleck«, sagte Hopley scharf. »Ich weiß es. Ich kann die Gedanken des Kerls so gut lesen, daß es mir manchmal so vorkommt, als hätte ich genau die richtige Antenne dafür. Sein ganzes Leben war ein einziges Herumziehen. Jedesmal ist er aus einer Stadt vertrieben worden, sobald die ›anständigen Bürger« sich soviel Haschisch und Marihuana beschafft hatten, wie sie wollten, sobald sie alle Zehner, die sie verschwenden wollten, am Glücksrad verspielt hatten. Sein ganzes Leben lang hat er sich mitanhören müssen, daß ein Schuft ›dreckiger Zigeuner‹ genannt wird. Die ›anständigen Bürger‹ leben in ihrer Heimat verwurzelt; er hat keine Heimat. Dieser Kerl, Halleck, mußte mitansehen, wie damals, in den dreißiger und vierziger Jahren, aus Jux seine Zelte angezündet wurden, und vielleicht sind dabei auch alte Leute und Babys mitver-brannt. Er hat mitangesehen, wie seine Töchter oder die Töchter seiner Freunde einfach genommen und vergewaltigt worden sind, denn wie alle ›anständigen Bürger‹ wissen, ficken die Zigeuner wie die Kaninchen, und auf ein paar Babys mehr oder weniger kommt es dabei ja wohl nicht an, und selbst wenn, wen kümmert das schon? – um mal eine Phrase zu dreschen. Er hat mitangesehen, wie seine Söhne oder die Söhne seiner Freunde so zusammengeschlagen worden sind, daß kaum noch ein Funken Leben in ihnen steckte ... und warum? Weil die Väter dieser Großschnauzen, die sie zusammenschlugen, ein bißchen Geld bei den Glücksspielen verloren hatten. Es ist immer dasselbe: Man kommt in die Stadt, das »anständige Volk nimmt sich, was es braucht, und dann wird man wieder verjagt.
    Manchmal bekommt man eine Woche Zwangsarbeit auf der ortsansässigen Erbsenfarm oder einen Monat beim Straßenbau aufgebrummt. Und dann, Halleck, zusätzlich zu all dem anderen Mist, kommt der letzte Peitschenhieb: Dieser erstklassige Rechtsanwalt, dieser angesehene Mann mit dem Dreifachkinn und den Kiefern einer Bulldogge überfährt deine Frau auf offerier Straße. Sie ist siebzig, vielleicht fünfundsiebzig Jahre alt, und vielleicht ist sie nur so schnell auf die Straße gerannt, um möglichst bald nach Hause zu kommen, weil sie dringend mal aufs Klo mußte und sich sonst in die Hose gemacht hätte. Alte Knochen splittern wie Glas.
    Und du lungerst herum und denkst dir, vielleicht diesmal, nur dieses eine Mal, muß es doch ein wenig Gerechtigkeit geben ... ein winziges bißchen Gerechtigkeit, das ein Leben voller Gemeinheiten wieder gutmachen soll...«
    »Hören Sie auf«, bat Billy heiser. »Bitte, hören Sie auf damit, ja?« Er strich sich besorgt über die Wange, weil er annahm, daß er fürchterlich schwitzte. Aber er hatte keine Schweißtropfen auf den Wangen; es waren Tränen.
    »Nein«, widersprach Hopley mit bösartiger Herzlichkeit.
    »Sie haben das alles verdient, und sie sollen es hören. Ich sage Ihnen ja nicht, daß sie nicht weitermachen

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