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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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aufmerksam zu, dachte an Leda Rossington und verkniff sich ein grimmiges Lächeln.
    Sie wußten genau, was ihm fehlte; sie standen ganz und gar nicht vor einem Rätsel. Au contraire, sie waren so aufgeregt, daß sie sich fast in die Hosen machten. Nun ja, ein wenig Vorsicht wäre schon angebracht. Sie wüßten vielleicht noch nicht ganz genau, was ihm fehlte, noch nicht, aber es handelte sich mit Gewißheit um eine von zwei (eventuell auch drei) Möglichkeiten. Eine davon wäre eine seltene Auszehrungskrankheit, die man noch niemals außerhalb von Mikronesien gesehen hätte. Die zweite wäre eine seltene Stoffwechselkrankheit, die bisher noch nicht richtig erforscht wäre. Die dritte – allerdings nur eine Möglichkeit! – wäre eine psychologische Form der nervösen Anorexie, aber diese letzte wäre so selten, daß man sie bisher nur vermutet hätte, aber noch nicht tatsächlich beweisen könnte. An dem aufflackernden Licht in ihren Augen merkte er, daß sie für diese Möglichkeit optierten. Sie würden ihre Namen danach in der medizinischen Fachpresse lesen können. In jedem Fall handelte es sich bei Billy Halleck um ein rara avis, und die Ärzte benahmen sich wie kleine Kinder am Weihnachtsabend.
    Letzten Endes lief es darauf hinaus, daß sie ihn noch ein oder zwei (vielleicht auch drei) Wochen dabehalten wollten.
    Sie würden ihm seine Krankheit schon austreiben, und zwar gründlich. Sie dächten zuerst an eine Serie von Megavitaminen, (sicherlich!) plus einer Serie Proteininjektionen (selbstverständlich!) und an eine große Anzahl weiterer Tests (zweifelsohne!).
    Er hörte ein professionelles Äquivalent von bestürztem Geheule - und sie heulten buchstäblich auf -, als Billy ihnen in aller Ruhe erklärte, daß er ihnen zwar herzlich danke, aber leider die Klinik verlassen müsse. Sie protestierten. Sie diskutierten. Sie hielten ihm Vorträge. Und Billy, der in letzter Zeit immer öfter das Gefühl hatte, er hätte doch den Verstand verloren, kam dieses Ärztetrio langsam so vor wie die drei Stooges. Unheimlich. Halb erwartete er schon, daß sie sich gegenseitig puffen und in die Seiten knuffen, daß sie in dem kostbar ausgestatteten Büro, ihre weißen Kittel hinter ihnen herflatternd, herumtoben und die teure Einrichtung zerschlagen würden, daß sie sich im Brooklyn-Akzent anschreien würden.
    »Zweifellos fühlen Sie sich im Augenblick ganz wohl, Mr. Halleck«, gab einer von ihnen zu bedenken, »schließlich hatten Sie ja, wie man Ihrer Akte entnehmen kann, ein be-denkliches Übergewicht. Aber ich muß Sie warnen. Das, was Sie jetzt fühlen, kann täuschen. Wenn Sie weiterhin so abnehmen, werden Sie bald mit der Entwicklung von Mundblutungen rechnen müssen, mit ernsthaften Hautpro-blemen...«
    Wenn Sie wirklich ernsthafte Hautprobleme sehen wollen, sollten Sie sich mal Fairviews Polizeichef ansehen, dachte Halleck.
    Entschuldigung, Expolizeichef.
    Er beschloß, ganz spontan und ohne besonderen Anlaß, wieder mit dem Rauchen anzufangen.
    »... mit ähnlichen Krankheiten wie Skorbut und Beriberi«, fuhr der Arzt mit gewichtiger Miene fort. »Sie werden außerordentlich anfällig für alle Arten von Infektionen sein, von einer simplen Erkältung über Bronchitis bis zur Tuberkulose. Tuberkulose, Mr. Halleck«, betonte er eindrücklich.
    »Wenn Sie aber hierbleiben...«
    »Nein«, unterbrach Billy. »Bitte, verstehen Sie, ich habe nicht einmal die Wahl.«
    Einer der beiden anderen Ärzte massierte sich behutsam die Schläfen, als hätte er plötzlich rasende Kopfschmerzen bekommen. Konnte schon sein – es war der Arzt, der die Idee von der psychologischen Anorexie in die Diskussion gebracht hatte.
    »Was können wir sagen, um Sie zu überzeugen, Mr. Halleck?«
    »Nichts.« Unaufgefordert tauchte das Bild des alten Zigeuners wieder vor ihm auf – er spürte die sanfte, strei-chelnde Berührung seiner Hand, das leichte Kratzen seiner rauhen Hornhaut an den Fingerknöcheln.
    Ja, dachte er. Ich werde wieder rauchen. Etwas echt Teuflisches. Cameloder Fall Mails oder diese Teufelsdinger, die Chester fields. Warum nicht? Wenn diese gottverdammten Doktoren schon so aussehen wie Larry, Curly und Moe, dann wird's Zeit, etwas zu unternehmen.
    Sie baten ihn, einen Augenblick zu warten, und verließen gemeinsam das Büro. Billy war's ganz recht, auf sie zu warten.
    Er spürte, daß er in seinem verrückten Theaterstück eine Zäsur erreicht hatte, das Auge des Hurrikans, und auch damit war er ganz zufrieden ...

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