Fluch der Unsterblichkeit
die Bocksfüße hoch hinauf, beugten sich weit nach vorn, sprangen in die Höhe, stampften den Boden. Ich brach ab und ließ die Flöte sinken.
Es war nicht menschliche Intelligenz, die mich aus diesen wilden dunklen Augen anblickte, als sie alle zu Statuen erstarrten und nur mehr dastanden und mich anschauten.
Ich hob wieder langsam die Flöte. Diesmal spielte ich das letzte Lied, das ich je gemacht habe. Ich erinnerte mich so gut daran. Es war ein Klagelied, das ich in jener Nacht gespielt hatte, als ich beschlossen hatte, daß Karaghiosis sterben sollte.
Ich hatte einsehen müssen, daß meine Rückkehrbewegung gescheitert war. Sie würden nicht zurückkommen, niemals mehr. Die Erde würde sterben. Ich war in die Gärten hinuntergestiegen und hatte diese letzte Melodie gespielt, die ich vom Wind gelernt hatte, vielleicht auch von den Sternen. Am nächsten Tag war die große Rennjacht von Karaghiosis in der Bucht vor Piraios gekentert.
Sie setzten sich ins Gras. Zuweilen betupfte der eine oder andere sich die Augen. Sie hockten alle um mich herum und lauschten.
Wie lange ich spielte, weiß ich nicht. Als ich zu Ende war, ließ ich die Flöte sinken und saß nur da. Lange Zeit später streckte einer der Satyrn die Hand aus und berührte die Flöte, dann zog er den Arm rasch zurück. Er schaute mir ins Gesicht.
»Geht«, sagte ich, aber sie schienen mich nicht zu verstehen.
Also hob ich die Syrinx und spielte die letzten Takte noch einmal.
Die Erde stirbt, sie stirbt. Bald ist sie tot und kalt … Geht heim, das Fest ist aus. Es ist so spät, so spät …
Der größte Satyr schüttelte den Kopf.
Geht heim, geht heim, geht jetzt. Genießt das Schweigen. Nach diesem lächerlichen Spiel des Lebens, genießt das Schweigen. Was hofften die Götter, auf welchen Gewinn? Auf keinen. Es war nur ein Spiel. Geht heim, geht heim, geht nun heim. Es ist so spät, so spät …
Sie blieben immer noch sitzen, darum stand ich auf und klatschte in die Hände und schrie: »Geht!« Dann schritt ich rasch davon.
Ich ging zu meinen Reisegefährten, und wir marschierten zur Straße zurück.
Von Lamia nach Volos sind es etwa fünfundsechzig Kilometer einschließlich des Umwegs um den Heißen Ort herum. Wir schafften am ersten Tag vielleicht ein Fünftel der Strecke. Am Abend schlugen wir unser Lager in einer Lichtung nahe der Straße auf. Diane kam zu mir herüber und fragte: »Also?«
»Also was?«
»Ich habe gerade mit Athen gesprochen. Nichts. RADPOL gibt keine Antwort. Ich muß deinen Entschluß jetzt wissen.«
»Du bist sehr bestimmt. Warum können wir nicht noch ein wenig warten?«
»Wir haben sowieso schon zu lange gewartet. Die Gegend ist hier bestens geeignet. Hier könnten so leicht so viel Unfälle passieren … Du weißt, was die RADPOL sagen wird: das gleiche wie vorher – und es wird das gleiche bedeuten: Liquidation.«
»Meine Antwort ist ebenfalls die gleiche wie zuvor: Nein.«
»Bitte, überleg dir das noch einmal.«
»Nein.«
»Dann tu wenigstens das eine«, sagte sie. »Vergiß es. Nimm Lorels Angebot an und besorg uns einen anderen Führer. Du kannst morgen früh von hier mit einem Gleiter abfliegen.«
»Nein.«
»Ist es dir denn wirklich ernst – du willst Myshtigo beschützen?«
»Ja.«
»Ich möchte nicht, daß du verletzt wirst oder daß dir vielleicht etwas noch Schlimmeres zustößt.«
»Ich bin auch nicht übermäßig begeistert von dem Gedanken. Also kannst du uns beiden eine ganze Menge Ärger ersparen, wenn du die Sache abbläst.«
»Das kann ich nicht.«
»Dos Santos tut, was du befiehlst.«
»Das Problem ist nicht administrativer Natur! Verdammt noch mal! Ich wollte, ich wäre dir nie begegnet!«
»Tut mir leid.«
»Es geht um die Erde, und du stehst auf der falschen Seite.«
»Ich glaube, da stehst du.«
»Und was wirst du dagegen unternehmen?«
»Ich kann dich nicht überzeugen, also werde ich dich einfach hindern müssen.«
»Du könntest den Präsidenten der RADPOL und seine Frau nicht ohne Beweise verhaften lassen. Wir sind politisch ein viel zu heißes Eisen.«
»Das weiß ich.«
»Also kannst du nichts gegen Don unternehmen, und ich glaube nicht, daß du etwas gegen mich unternehmen würdest.«
»Das ist richtig.«
»Also bleibt nur Hasan.«
»Auch das ist richtig.«
»Und Hasan ist eben – Hasan. Was wirst du tun?«
»Warum gibst du ihm nicht jetzt gleich seinen Entlassungsschein und ersparst mir Ärger?«
»Das werde ich nicht tun.«
»Ich hab’ auch
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