Fluch des Magiers
Priesterin es als Zeichen Ilynas an, dass er ausgerechnet zu der Zeit nach Edessin Dareh gekommen war, in der die sechs obersten Priesterinnen ihr befohlen hatten, nach Flussmaul zu fahren und nach dem verschwundenen Reliquiar zu suchen. Ihr Onkel, der als Gesandter von Lanar in der Heiligen Stadt weilte, hatte N’ghar gebeten, sie zu begleiten.
Drilia war froh darum, denn ihr zweiter Begleiter, ein Baron aus Realghan, war ihr gewiss keine große Hilfe. Als sie sich zu dem Edelmann umdrehte, wirkte er auf sie, als reiste er zu seiner eigenen Beerdigung. Ihr weiteres Gefolge bestand aus ihrer Zofe und dem Diener des Barons. Dazu kamen die vierundzwanzig Ruderer der kleinen Flussgaleere, der Kapitän und sechs Matrosen. Bei diesen handelte es sich um Lanarer, die mit Sicherheit vor keinem Flussmäuler zurückschrecken würden.
Außerdem, sagte Drilia sich, würde Lanar Vergeltung fordern, wenn ihr etwas passierte. Dann würden lanarische Galeeren nach Norden kommen und genauso Jagd auf Flussmäuler machen, wie diese es mit den Schiffen anderer Länder trieben.
Der Kai kam immer näher, doch dort machte niemand Anstalten, die Leinen aufzufangen, welche die Lanarer werfen wollten. Etliche Leute standen einfach nur herum und starrten auf das schmale Flussschiff. Die blaue Flagge mit dem roten Symbol von Lanar schien den Leuten nicht zu behagen, denn Drilia und N’ghar hörten etliche Flüche und sahen, dass einzelne Männer sogar die Fäuste ballten.
Mit einem Lächeln forderte N’ghar einen Matrosen auf, ihm das Ende der Leine zu geben, und sprang mit einem gewaltigen Satz an Land. Als er die Leine um einen der Poller auf der Mole winden wollte, kam einer der Flussmäuler auf ihn zu.
»Diese Anlegestelle ist für die Schiffe des hohen Herrn Tolmon Kren reserviert. Dreckige Lanarer haben hier nichts verloren. Also verschwindet!«
N’ghar drehte sich langsam um und entblößte grinsend sein prachtvolles Gebiss. »Wenn ich dich so ansehe, mein Guter, erinnere ich mich daran, dass ich heute noch nicht gefrühstückt habe. Allerdings sollte ich dich vorher waschen.«
Mit einer blitzschnellen Bewegung packte er den Mann, stemmte ihn mit Leichtigkeit hoch und schleuderte ihn über das Heck des Bootes ins Wasser. Dann drehte er sich mit erwartungsfroher Miene zu den anderen Flussmäulern um.
»Hat noch jemand Lust auf ein Bad?«
Ein Mann zog sein Kurzschwert, doch da traf ihn ein eisiger Blick N’ghars.
»Wer glaubt, es mit blanker Klinge versuchen zu müssen, sollte sich nicht wundern, wenn ihn die Totenwächter Giringars hinterher fragen, weshalb er ein so großer Narr gewesen ist.«
Die Warnung verfing. Zwar waren die Flussmäuler keine Feiglinge, aber da sie in der Welt herumkamen, hatten sie bereits Geschichten über den blauen Katzenkrieger gehört, der in Reiche auf der goldenen Seite eingedrungen war, um Gefangene zu befreien. N’ghar an dieser Stelle anzugreifen, hätte einigen von ihnen das Leben gekostet, und das ohne Gegenwert. Daher stieß der Mann seine Klinge wieder in die Scheide zurück und verschränkte seine Arme demonstrativ vor der Brust.
»Was wollt ihr hier?«, fragte er stattdessen.
»Mit dem Herrn des ersten Turms von Flussmaul sprechen. Er ist doch hier so etwas wie der Bürgermeister, oder nicht?«
Die Flussmäuler schluckten, als der mächtigste Mann ihrer Stadt mit dem Titel eines schlichten Ortsvorstehers bezeichnet wurde. Dennoch sagte keiner etwas dagegen. Der schlanke Katzenmensch, der die Größten unter ihnen noch um mehr als einen Kopf überragte, sah nicht so aus, als wäre er gekommen, um in einer der Hafenkneipen einen Krug Bier zu trinken.
Schließlich begann einer zu sprechen. »Was wünscht Ihr von dem großen Tolmon Kren?«
»Das geht nur diesen selbst etwas an«, antwortete N’ghar kurz angebunden. Ohne sich weiter um die Flussmäuler zu kümmern, winkte er den Matrosen, ihm die zweite Leine zuzuwerfen, und vertäute das Schiff an den Pollern.
Drilia und der Baron hatten den kurzen Disput an Land mit wachsendem Staunen verfolgt und begriffen, dass ihnen ohne N’ghars Begleitung in dieser Stadt wahrscheinlich übel mitgespielt worden wäre. Doch auch so wirkte die Situation bedrohlich. Es erschien nämlich ein Trupp Flussmäuler, der sich schon in seiner Kleidung stark von den einfachen Matrosen unterschied. Die Männer trugen sechseckige Brustschilde, Helme und lange Speere sowie weite, schwarze Hosen und rote Hemden.
Ihr Anführer blieb vor N’ghar stehen
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