Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Verstand der alte Mann, was sie wissen wollte? Und war die Frage trotzdem harmlos genug, um ihre Absichten dahinter zu verbergen?
John Lafflin verstand beides, behielt aber sein Lächeln für sich, um es ihr leichter zu machen, weitere Fragen zu stellen. Als er geantwortet hatte, dass er von einer Familie nichts wisse, dass John Gowers als Lotse eine Koryphäe und für diese Fahrt von ihm angeheuert worden sei, wechselte Deborah jedoch bereits wieder das Thema.
In dieser Nacht dachte der alte Mann lange darüber nach, was er wirklich über John Gowers wusste, von seinen Ansichten, seiner Vorstellung vom Leben. Er sah wieder das vertrauliche Lächeln, mit dem die Huren in jenem Etablissement in New Orleans seinen Lotsen begrüßt hatten, und auch Dorothy Simpson fiel ihm ein. Deborah war ihm zu wichtig, als dass er einfach vergessen konnte, dass Gowers die junge Dame geküsst hatte, heftig, entschlossen geküsst. Und nur ein einziger Umstand veranlasste ihn, zu tun, was er am nächsten Morgen tat. Denn auch John Gowers hatte ihn gefragt, schüchtern, vorsichtig, wer Deborah war. Woher er sie kenne. Wo ihre Familie sei.
116.
Als der Morgen noch grau war, weckte John Lafflin Deborah unter einem Vorwand und nahm sie mit in die Kombüse, wo er dann hingebungsvoll versuchte, den besten Kaffee seines Lebens zu kochen. Dabei redete er in einem fort, beglückwünschte sie dazu, so viele Menschen auf einen Schlag befreit zu haben, fragte hier eine Kleinigkeit, erläuterte dort einen Zusammenhang, sprach von seiner Festnahme und Entlassung und wie er ihrem Lotsen beinahe die Kohlenschaufel über den Kopf geschlagen hatte. Ach übrigens, er sei hier unten noch eine Weile beschäftigt. Ob sie so freundlich sein könne, John Gowers eine Kanne Kaffee ins Steuerhaus zu bringen?
Sie befanden sich in den nordwestlichen Ausläufern des Pelican Lake, und Hunderte der riesigen Vögel erwachten mit heiserem Schnarren, als die Sonne über der Bay Blanc aufging. John hatte eine erste Runde an Deck schon hinter sich, die Flutmarkierungen kontrolliert und festgestellt, dass noch etwa eine Stunde vergehen musste, ehe sie einen Versuch machen konnten. Er weckte Mr. Phineas, damit er im Kesselraum die nötigen Vorbereitungen treffen konnte, und ging dann wieder ins »Texas«, um seinerseits auf dem Posten zu sein.
Er liebte diese Stunde, eigentlich nur diese Minuten, in denen das triste kleine Steuerhaus als höchster Teil des Schiffs die ersten Sonnenstrahlen einfing und plötzlich ein frisches, warmes Licht durch den Raum flutete und alles so neu aussah, als hätte es nie einen vergangenen Tag gegeben. Er suchte eben den Himmel ab, um Anzeichen für das Wetter zu entdecken, das vor ihm lag, als er Schritte hörte. Stirnrunzelnd schaute er zur Tür, denn es waren nicht Lafflins Schritte, die er, bedächtig, sicher, aber auch ein wenig langsam, inzwischen von denen der anderen unterscheiden konnte. Dieser Schritt war leichter, ein Frauenschritt, und als Deborah in der Tür auftauchte, lächelte er, gleichermaßen überrascht und erfreut.
»Ich bringe Ihnen heute den Kaffee«, sagte sie ohne einen Gruß. »Der Kapitän hat noch zu tun.«
»Guten Morgen«, sagte er, als hätte er den kleinen Raum nie so hell gesehen, und für einen kurzen Moment erwiderte sie sein Lächeln.
»Guten Morgen!« Sie stellte die Kanne auf das schmale Kartenpult und wartete, bis er sich eine Tasse eingeschenkt hatte. Es ist schön hier, dachte sie, als sie die Wärme der Sonne in ihrem Gesicht fühlte, und überlegte, ob sie das sagen sollte. Dann ließ sie es bleiben und wandte sich um.
John, der noch ganz ihre unerwartete Anwesenheit genoss, fragte sich, was er tun oder sagen konnte, damit sie noch bliebe, aber sein Kopf war plötzlich völlig leer, und ein eigenartiges Gefühl rund um den Solarplexus raubte ihm fast den Atem. Erst als sie schon wieder in der Tür stand, fragte er verzweifelt: »Möchten Sie auch einen Schluck?« O Gott, er hatte diese verdammte Tasse seit Beginn der Reise nie ausgespült!
»Ja«, sagte sie, bereute es aber sofort, weil sie keinen Kaffee mochte. »Gerne«, fügte sie noch hinzu. Er reichte ihr die Tasse, als sie wieder neben ihn trat, und in Erwartung eines fürchterlichen Geschmackserlebnisses biss sie kurz auf die Lippen.
»Ich habe leider nur eine Tasse«, sagte er. Ich hätte sie vielleicht mal ausspülen sollen, dachte er nur, als sie ein wenig den Mund verzog.
»Das macht nichts«, sagte sie, schluckte tapfer und
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