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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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und den Jungen mit dem zerkratzten Gesicht begreiflicherweise gut erinnerte.
     
    »Name?«
    James Fagan zitterte, als er nackt wie ein Wurm vor dem Militärarzt stand. Aber wie hieß es unter den Soldaten aller Länder und Waffengattungen so passend? Zur Welt und in die Armee kommen wir ohne Kleider.
    »Bradley, Sir«, sagte Fagan. »James Bradley.«
    Der Armeeschreiber, der die lange Reihe rachitischer nackter Männer mit gelangweilten Blicken an sich vorüberziehen ließ, suchte diesen Namen in der Liste der Eingeschriebenen und nickte nur müde, als er ihn gefunden hatte.
    »Arme hoch!«, befahl der Arzt.
    Der Mann sah übel aus. Unterernährt und blass, die Haut ungesund, das Gesicht picklig und zu allem Überfluss von einer breiten, noch schorfigen, also frischen Narbe entstellt.
    »Streit gehabt«, stellte der Arzt fest, als Fagan widerspruchslos die Arme hoch.
    »Ja, Sir«, antwortete er, und das Zittern seiner Beine verstärkte sich so, dass sein dünnes Geschlechtsorgan über dem klein zusammengeballten Hodensack regelrecht bebte.
    Warum war der Mann so nervös? Diese Art erzwungener Musterung gab es, seit es Armeen, Gefängnisse und Sklavenmärkte gab. Sie erfüllte einen dreifachen Zweck. Machte dem Mann, selbst einem Schwachsinnigen, klar, dass er nun mit Haut und Haaren einer höheren Macht gehörte, die mit ihm tun konnte, was immer sie wollte. Brachte körperliche Gebrechen ans Licht, die seinen möglichen Kampfeinsatz beeinträchtigen konnten, und schützte die Armee vor Läusen und anderem Ungeziefer.
    »Ich nehme an, sie hat sich gewehrt, wie?«, fragte der Arzt in
einem jähen Anflug von Jovialität, und erst am Feixen des bisher so teilnahmslosen Schreibers merkte Fagan, dass das ein Scherz sein sollte. Er schaffte es, sein lädiertes Gesicht zu einem Grinsen zu verziehen.
    »Ja, Sir!«
     
    Mit Helens Aussage konfrontiert, erschüttert durch die Zeitungsberichte über Nells Hinrichtung und in der verzweifelten Hoffnung, einer Anzeige wegen Beihilfe zu entgehen, gab Franklin Sykes, M. D., schließlich mehr zu, als Gowers ihm je hätte beweisen können.
    »Ich wusste nicht, dass er sie ermordet hat«, winselte der Arzt. »Er hat nichts gesagt, und ich habe ihn nicht gefragt.«
    Mühsam unterdrückte Gowers den Wunsch, dem Mann ins Gesicht zu schlagen.
    »Wo ist er?«
    »Hat sich freiwillig nach Neuseeland gemeldet, vor drei Tagen erst!«
     
    Es hatte rund zwei Wochen gedauert, bis McDonnell genügend Männer beisammenhatte, um mit dem ersten Schiff in See zu gehen. Titokowaru hatte inzwischen vielleicht schon losgeschlagen, und so konnte er keine Rücksicht auf von Tempsky und die nächsten hundertfünfzig, zweihundert Mann nehmen. Kriege warten nicht gern.
    Als Gowers zum Hafen kam, sah er deshalb tatsächlich nur noch »Fighting Macs« Segel am Horizont.
     
    »Eine letzte Frage«, sagte von Tempsky, als er die ganze Geschichte kannte. »Warum ist die Polizei denn nun eigentlich hinter Ihnen her?«
    Gowers lachte leise. »Der Pfarrer, Sir. Er hatte unglücklicherweise ein gutes Personengedächtnis, und seine Beschreibung passte im Grunde nur auf mich.«
    Auch Manu-Rau musste über diese letzte Enthüllung lachen, so sehr, dass er dazu sogar die Pfeife aus dem Mund nahm.

68.
    Obwohl er genauso erschöpft gewesen war wie alle anderen, hatte John Lafflin darauf bestanden, noch am gleichen Morgen und zu Fuß nach New Orleans aufzubrechen. Gowers begleitete ihn, wunderte sich über das Durchhaltevermögen des alten Mannes und war heilfroh, als sie noch vor Mittag auf einen kleinen Treck von Cajuns stießen, Fischer und Bauern, die ihre Erzeugnisse auf niedrigen Eselskarren zum Markt in New Orleans schafften. Mit der Abenddämmerung kamen sie auf einem solchen Karren und einer Ladung Fische sitzend in die Stadt, und während John Gowers zunächst seine Wohnung aufsuchte, machte sich Lafflin ohne Verzug zum Hafen auf  – wo er seinen Kontaktmann allerdings um weniger als eine halbe Stunde verpasste. Der alte Mann, jetzt deutlich erschöpft und angeschlagen, ging nach gut anderthalb Stunden zurück ins französische Viertel, um die Nacht in dem Bett zu verbringen, das sein Lotse ihm angeboten hatte.
    Der junge Mann hatte sich mithilfe von Wasser und Seife eben von dem Fischgestank befreit, der auf der Fahrt an ihm haften geblieben war, als Lafflin eine neue, erstickende Wolke des gleichen Dufts in seine Räumlichkeiten trug. »Und?«, fragte er.
    »Nichts«, erwiderte Lafflin, während er die

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