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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Füße ächzend aus seinen Stiefeln zog. »Wenn morgen niemand da ist, müssen wir uns wohl oder übel selbst nach Barataria tasten. Das Problem ist nur, dass ich dann keine Ahnung habe, was uns dort erwartet.«
    »Na, dann spricht ja nichts dagegen, dass Sie sich ein wenig frisch machen, Sir«, sagte John, rümpfte die Nase und verwies Lafflin auf die Waschschüssel, die auf dem breiten Fensterbrett stand. »Ich hole Ihnen sogar frisches Wasser«, kündigte er an und schüttete das alte, verbrauchte aus dem Fenster auf die Straße.
    Als sein Lotse gegangen war, kam Lafflin zum ersten Mal dazu, sich in Gowers’ kleiner Wohnung umzusehen. Es war insbesondere ein überquellendes Bücherbord, das den Raum deutlich von den Behausungen der vielen Hundert Seeleute unterschied, die Lafflin in seinem Leben gesehen hatte. Zerlesene alte Bände, zusammengekauft und gestohlen von vielen Bücherkarren, aus vielen Bibliotheken der Alten und Neuen Welt, und sie zeugten von der weit verzweigten, aber nicht sehr wählerischen Belesenheit des jungen Mannes.
    Vorwiegend Literatur, nur wenige wissenschaftliche oder philosophische Werke, abgesehen von einigen Geschichtsbüchern. Das verlorene Paradies lag aufgeschlagen auf einigen anderen Bänden und beschirmte sie praktisch wie ein Dach. Der alte Mann nahm das Buch und las die Verse Miltons, die John Gowers mit einem kleinen Bleistiftkreuz als besonders merkwürdig markiert hatte:
    In uns allein sei unsre Seligkeit,
Für uns allein zu leben, sei es auch
In dieser Wüste hier, damit wir frei
Und unabhängig statt des leichtern Jochs
Des Sklavenpomps die schwere Freiheit wählen.
    Der Verweis I, 679, auf dem Seitenrand notiert, ließ den Fabrikanten zurückblättern, aber ehe er die Stelle gefunden hatte, war John wieder da.
    »Glauben Sie das?«, fragte Lafflin und las die Verse noch einmal laut.
    »Ich glaube nichts, was in Büchern steht«, antwortete John und goss das frische Wasser in die Waschschüssel. »Aber ich denke darüber nach. Wirklich interessant ist nicht so sehr, was gesagt wird, sondern wer spricht.«
    »Nun, an dieser Stelle spricht Satan selbst, wenn ich mich recht entsinne.« Lafflin knöpfte sein Hemd auf, um das Reinigungswerk zu beginnen. »Und er will lieber in der Hölle herrschen, als im Himmel dienen. Glauben Sie, dass das richtig ist?«
    John schüttelte den Kopf.
    »Der da spricht, ist Mammon, einer der vornehmsten unter den gefallenen Engeln. Und ihn hat schon immer weniger der Himmel als die Erde interessiert. Erst durch ihn haben die Menschen gelernt, nach Gold zu graben und es sich gegenseitig abzujagen. Die Frage ist an dieser Stelle also: Kann ein Lügner etwas Wahres und Gutes sagen? Kann der falsche Mann etwas Richtiges tun?«
    Ehe Lafflin dazu kam, etwas zu erwidern, wurde heftig an die Tür geklopft.
    »John!?« Es war Maggie, die schon durch die geschlossene Tür rief: »Wir haben Ärger!«
    Gowers kehrte den philologischen und moralischen Problemen Miltons den Rücken zu und öffnete. »John Lafflin  – Margret-Ann«, stellte er die beiden so unterschiedlichen Menschen einander vor und fragte schon im Hinausgehen: »Wie viele?«

69.
    Bonneterre hatte die Farbige in eine Zimmerecke getrieben, wo sie schützend ein kleines seidenes Kissen vor ihren Körper hielt. Schwitzend und mit leuchtenden Augen versuchte er, mit seinem Ledergürtel um dieses Hindernis herumzukommen, und freute sich, wenn die Schmerzensschreie der Hure verrieten, dass er das Fleisch ihrer Schultern und Hüften gefunden hatte. Gleich würde er sie auf dem Boden haben, wo sie hingehörte.
    Bei seinen verbissenen Bemühungen hatte er indes das zweite Mädchen aus den Augen verloren, und erst als er hörte, dass es sich am Türschloss zu schaffen machte, drehte er sich um und bedeckte ihren nackten Rücken mit wütenden Schlägen. Elly sackte neben der Tür in die Knie und schützte sich, so gut es ging, mit nicht mehr als ihren erhobenen Armen.
    Diese Ablenkung nutzte die kräftige Cleo, um sich ihrerseits auf den rabiaten Kunden zu stürzen und ihrer Kollegin beizustehen.
Bonneterre hatte sie noch nicht abgeschüttelt, als die zierliche Weiße die Tür geöffnet hatte und in den Korridor floh.
    Endlich lag der schwarze Teufel nackt und wehrlos vor seinen Füßen. Aber gerade als er zuschlagen wollte, fühlte er, wie sein Arm zurückgerissen und auf seinen Rücken gedreht wurde. Er schrie vor Schmerz und sah dann plötzlich die Zimmerwand auf sich zukommen, als jemand ihn

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