Fluch per Mausklick (German Edition)
in den Augen überreichte: »Eine unschätzbare Erinnerung, auch später für eure Kinder. Robins ganzes Leben ist darin dokumentiert.«
Dazu zeigte sie mir ein zwischen die ersten Seiten gestopftes, mit staubigen Relikten gefülltes Plastikbeutelchen. »Robins erste Locke … sein erster Zahn …«
Ob Milchzähne noch zum Verfluchen eines Fünfunddreißigjährigen taugten? Ach was, DNS war DNS. Entschlossen entsiegelte ich das Tütchen und schmückte meine Wachspuppe mit Robins Hinterlassenschaften. Wenn das seine Mutter wüsste!
»Nun muss die Puppe benannt werden. Dazu beräuchere man sie mit Weihrauch und spreche: ‚Ich nenne dich …’«
Wo zum Loa kriegte man Weihrauch? Während ich noch darüber nachdachte, fiel mein Blick auf das original sächsische Räuchermännchen, mit dem Angela einen der Schränke im Gartenhaus dekoriert hatte. Kein Wunder, dass es bis jetzt keiner mieten wollte! Ob da Weihrauch drin war? Jedenfalls Rauch. Der Loa würde den Unterschied wahrscheinlich gar nicht merken. Ich angelte das Ding also vom Schrank, und sofort verbreitete sich der Duft jahrzehntealter Mottenkugeln.
»Ich nenne dich Robin Ferdinand Anrainer!«, erklärte ich der Puppe feierlich und hielt sie in den Rauch. Jetzt müsste Robin eigentlich einen Erstickungsanfall bekommen, wenn man Hollywoodfilmen glauben dürfte.
»Nimm einige Nadeln und stich sie tief in die Figur, während du den Zauberspruch rezitierst …«
Zauberspruch? Mit gezückter Nadel suchte ich hektisch nach dem Text. Ach ja, hier:
»Geeignet ist das Vaterunser rückwärts.«
Ich konzentrierte mich: »Amen. Ewigkeit in geschehe Wille dein, komme Reich …« Ob das so okay war? Oder musste ich auch die Wörter umkehren? Nach der ganzen Arbeit mit der Puppe wollte ich es auch richtig machen. »Nema. Tiekgiwe ni ehehcseg …« Nach einer halben Stunde war ich fertig und längst aus dem Stadium heraus, in dem ich Robin einen raschen Tod gewünscht hatte. Genüsslich rammte ich ihm die Nadel ins Rückgrat. »Das Genick sollst du dir brechen!«, murmelte ich dabei.
Nun musste das Ganze noch etwas ablagern, nachdem ich es in ein schwarzes Tuch gepackt hatte. Innerhalb von drei Tagen, so versprach mir die Anleitung, würde ich vom Unglück meines Opfers erfahren. Mit einem weiteren Glas Wein ging ich zu Bett und schlief den Schlaf der Gerechten.
Vorerst hörte ich allerdings nichts von Robin. Dafür fand Fido das Päckchen am dritten Tag, wickelte es sorgfältig aus, entfernte die Nadel und fraß die Wachspuppe. Seinem Magen hat sie nicht geschadet, aber ich dachte doch etwas schuldbewusst an Robin. Von wessen Zähnen mochte der gerade zermahlen werden?
Am Tag danach fand dann die Wesensprüfung statt. Fido sprang erfreut ins Auto und kommentierte jeden Schaltvorgang mit euphorischem Fiepen. Auf dem Hundeplatz entdeckte er eine äußerst attraktive Rottweilerdame und jaulte für sie eine Tonfolge, die jedem zeitgenössischen E-Musik-Komponisten Preise eingebracht hätte. Die Hündin schien zunächst auch durchaus interessiert zu sein. Bis ihr Frauchen ein scharfes »Platz!« von sich gab. Daraufhin ließ sie sich schuldbewusst auf ihren verführerischen Hintern plumpsen und hatte keinen Blick mehr für Fido. Ich schaute Frauchen strafend an. Wie konnte man die natürlichen Lebensregungen des Tieres nur so unterdrücken? Fido gab ein trauriges Jaulen von sich, vergaß die Sache dann aber und versank zu meinen Füßen in Tiefschlaf.
Inzwischen hatte ich Zeit, mir das Frauchen seiner Flamme näher anzusehen, und erkannte zu meiner Verwunderung Lizzie, Robins Sekretärin. Ohne die dick aufgetragene Schminke und das kurze Röckchen, das sie im Büro zu tragen pflegte, sah sie ganz anders aus. Mein aktuelles Gegenüber war ein sportliches Mädchen im Barbour-Look. Auch für Lizzie musste ich in Jeans und Friesennerz befremdlich wirken. Aber sie strahlte, als sie mich erkannte.
»Wie schön, Sie wiederzusehen, Frau Langer! Geht es Ihrer Mutter denn jetzt besser? Vielleicht können Sie ja zurück ins Büro kommen, wenn die Pflege nicht mehr ganz so aufwändig ist. Die neue Texterin ist jedenfalls ein Flop. Und seit Herr Anrainer auch noch dauernd krank ist …«
Ich brauchte etwas Zeit, um ihren Redestrom zu ordnen. Was hatte Robin da von sich gegeben? Ich sei ausgeschieden, um meine kranke Mutter zu pflegen? Die nächste Nadel würde ich ihm in die Geschlechtsteile rammen! Aber halt, hatte Lizzie da nicht was von einer Krankheit gesagt?
»Na,
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