Fluch von Scarborough Fair
probieren es die Eltern im Märchen immer zuerst, und es funktioniert nie.«
Kapitel 49
Drei Wochen vor dem Geburtstermin ging Lucy zur Kontrolluntersuchung ins Krankenhaus. » Alles bestens«, sagte ihre Ärztin Dr. Whang lächelnd. » Dem Baby geht es gut, und Ihnen auch. Sie sind die Gesundheit in Person. Ich denke, das Kind wird nicht früher kommen, aber falls doch, können Sie mich jederzeit erreichen. Sicher haben Sie auch schon mit der Hebamme Jacqueline Jackson gesprochen, oder?«
» Ja.«
» Zur Sicherheit stehen auch immer Ärzte bereit. Und Ihre Mutter wird ja bestimmt auch da sein, ob Sie wollen oder nicht, ha-ha. Sind Sie zu Hause schon mit dem Nötigsten ausgestattet? Kinderbett, Wickeltisch, Windeln und so weiter?«
» Ja«, sagte Lucy. » Mein Mann hat sich um alles gekümmert.« Zach hatte in ihrem Haus ein Kinderzimmer eingerichtet. Sie würden dort glücklich zusammen leben, Zach, Lucy und das Baby.
Zach war zweimal in Mississippi gewesen und hatte sich Grundstücke angesehen. Einmal hatte Leo ihn begleitet und einmal Soledad. Aber sie hatten kein Stück Land gefunden, das sowohl von der Lage her geeignet als auch erschwinglich gewesen wäre. Morgen wollte Zach sich noch einmal umschauen. Eigentlich müsse er das Land gar nicht kaufen, meinte er jetzt, denn in der Ballade stünde lediglich finden. Und außerdem hätten sie keine Zeit mehr.
» Du musst in jedem Fall pflügen und säen«, hatte Zach am Abend zuvor erklärt. » Ich werde die ganze Küste entlang fahren und ein Stück Land finden. Und dann fliegen wir gleich hin. Es muss gar nicht zum Verkauf stehen. Es genügt, wenn es zwischen Wasser und Strand liegt.«
» Wenn das Grundstück nicht zu verkaufen ist, werden die Besitzer doch bestimmt was dagegen haben, dass Fremde dort herumschnüffeln.«
» Wir werden ihnen nichts davon sagen.«
» Meinst du nicht, dass sie es bemerken, wenn eine schwangere Frau auf ihrem Grundstück pflügt und sät?«
» Ich werde es ihnen erklären.«
» Ach, wirklich? Da bin ich aber gespannt. Was willst du ihnen denn sagen?«
» Ich werde mir was ausdenken. Du bist schwanger, verdammt noch mal! Sie werden dich nicht gleich einsperren. Na komm, Lucy. Es kann uns doch egal sein, was die Leute von uns denken. Außerdem sind Südstaatler sehr gastfreundlich. Vermutlich werden sie mir Limonade anbieten.«
» Wie bitte? Du willst dich auf die Veranda setzen und Limonade trinken, während ich mit einem Ziegenhorn ein Stück Sumpfland pflüge?«
» Jawohl, Ma’am. Und dabei werde ich mein nahtloses Hemd tragen.«
Humor war ihr treuester Verbündeter. Und vielleicht würde ja wirklich alles so kommen, wie Zach gesagt hatte. Allerdings fiel es Lucy im Moment recht schwer, daran zu glauben, während sie gerade mit ihrer Ärztin im Krankenhaus sprach.
Angenommen, sie kam nicht zum Pflügen und Säen, oder sie tat es und machte dabei etwas falsch, und der Fluch war nicht gebrochen? Würde sie in dem Fall sofort nach der Geburt verrückt werden? Oder würden sie im Kreißsaal für ein paar Minuten oder gar Stunden Ruhe haben? Es wäre schön, wenn sie und Zach das Baby eine Weile im Arm halten könnten.
Lucy hatte sowohl Zach als auch Soledad erklärt, dass sie ihr das Baby nicht überlassen sollten, wenn sie auch nur den geringsten Zweifel daran hätten, dass Lucy mit ihrer Tochter behutsam und zärtlich umging, und dass sie sie streng bewachen sollten. » Geh nicht weg«, hatte sie zu Soledad gesagt. » Verstehst du? Nicht einen Schritt!«
Dr. Whang sprach jetzt von Mutter-Kind-Gruppen und erkundigte sich, wie Lucy in der Schule zurechtkam. Lucy versuchte, zuzuhören und entsprechend zu antworten.
Es war so seltsam, mit Außenstehenden zu sprechen, die annahmen, sie werde die üblichen Erfahrungen als Mutter machen. Es war ein bisschen so, als würde man alles doppelt sehen. Im Laufe des Gesprächs glaubte Lucy fast schon selbst, dass sie das Baby mit nach Hause nehmen würde. Sie würde lernen, wie man perfekt Windeln wechselt, und es schaffen, mitten in der Nacht das Baby zu füttern und fast ohne Schlaf auszukommen, so wie sie alles andere in ihrem Leben schaffen würde, das Studium eingeschlossen.
Es machte Lucy nichts aus, so zu tun als ob.
Außerdem sagte sie gerne » mein Mann«. Diese Phrase verwendete sie häufig bei Gesprächen wie diesem.
An der Art, wie Dr. Whang sie anstrahlte, erkannte Lucy, dass die Ärztin froh und sogar erleichtert war, sie Dinge sagen zu hören wie: » Mein Mann
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