Flucht aus dem Harem
Aufregung und trifft Vorbereitungen. Händler kommen und gehen, Gaukler versammeln sich vor den Toren, und Astrologen stellen ihre Horoskope. Die ausländischen Gesandten machen bereits ihre Honneurs. Es geht zu wie in einem Taubenschlag.“
Leila schloss die Augen. Es geht zu wie in einem Taubenschlag. Das war die Lösung! Wenn sich zur Zeit dermaßen viele Menschen im Palast aufhielten, konnte sie sich unter die Menge mischen und so vielleicht mit ihnen hinaus ins Freie gelangen. Sie brauchte Kleider, um unauffällig … nein, nicht unauffällig, das würde möglicherweise die Aufmerksamkeit der Wachposten erregen. Sie musste hocherhobenen Kopfes durch die Menge spazieren. Die Wachen sollten sie sehen und dennoch anstandslos passieren lassen.
Es gab nur eine Frau, die ungehindert und ohne schriftliche Erlaubnis den Palast verlassen durfte: Jamilah.
Angespannt beugte sich Leila näher zu Hatice. „Ich brauche den schwarzen Mantel und den schwarzen Schleier von Jamilah. Damit kann ich mich unter die Leute mischen und den Palast verlassen.“
„Und wie willst du an ihre Sachen kommen?“
„Wir dürfen sie nicht mehr aus den Augen lassen. Vielleicht gelingt es uns, die Kleider zu nehmen, wenn sie schläft oder wenn sie … beschäftigt ist.“ Je länger Leila über die Idee nachdachte, desto besser gefiel sie ihr. Jeder kannte die schwarze, verschleierte Gestalt und niemand würde es wagen, sie aufzuhalten. Euphorie bemächtigte sich ihrer und ließ ihr Herz schneller schlagen.
„Wäre eine andere Verkleidung nicht besser?“, wagte Hatice einzuwenden. „Wir könnten doch die Gewänder eines Eunuchen stehlen. Das wäre auch wesentlich einfacher.“
„Als Eunuch kann ich mein Gesicht nicht verbergen. Außerdem sind die Eunuchen miteinander vertraut. Sie würden mich sofort erkennen.“ Leila legte nachdenklich den Kopf schief. „Einfach als Jamilah durch das Tor zu spazieren, wäre die beste Lösung. Wenn sie mich trotzdem festnehmen, dann war es eben Allahs Wille. Dem muss ich mich beugen.“
„Also müssen wir uns daran machen, die Galabea und den Schleier von Jamilah in unsere Hände zu bekommen.“ Hatice nickte. „Du ruhst dich aus, denn du wirst alle deine Kräfte brauchen. Ich werde anfangen, Jamilah auszuspionieren.“ Sie stand auf und blickte auf Leila hinunter. „Mach dir keine Gedanken, ich kümmere mich um alles.“
Und das tat sie auch. Schon am Abend des nächsten Tages erstattete sie Leila Bericht, die sich bereits wieder kräftig und gesund fühlte. Sie trafen sich einem abgeschiedenen Winkel des Gartens, der zum Harem gehörte.
„Jamilah hat vier verschiedene schwarze Galabeas und noch mehr Schleier. Das hätte ich gar nicht gedacht. Sie sehen alle gleich aus, also wird es ihr nicht sofort auffallen, wenn einer fehlt.“ Mit diesen Worten zog Hatice ein Bündel unter ihrem weiten Kaftan hervor.
Erstaunen breitete sich auf Leilas Gesicht aus. „Du hast schon eines an dich genommen?“
„Warum warten?“, fragte Hatice zurück.
Leila nahm das schwarze Stoffbündel an sich und stopfte es hastig unter ihre eigenen Gewänder. „Du hast recht. Warum warten?“ Dass ihr Vorhaben so schnell Gestalt annahm, brachte sie aus der Fassung. Aber Hatice sollte davon nichts merken. „Ich danke dir. Wenn etwas schief geht, nehme ich alles auf mich. Du sollst nicht für mein Vergehen büßen müssen.“
„Nichts wird schief gehen, Leila. Ich weiß es. Alle meine Gedanken sind bei dir. Wann willst du deinen Plan ausführen?“
„Jamilah darf nicht herausfinden, dass ihre Galabea fehlt, also sollte es bald sein. Aber wir müssen sicher gehen, dass sie beschäftigt ist und nicht die Absicht hat, den Palast zu verlassen, wenn ich es an ihrer Stelle tue.“
Hatice nickte. „Gut, ich werde versuchen, herauszufinden, was sie für morgen und übermorgen plant.“
Gemeinsam gingen sie zum Haremspalast zurück. Auf der Marmortreppe kam ihnen Jamilah entgegen. Sie schickte Hatice mit einer Handbewegung fort und begleitete Leila in ihre Gemächer.
„Karim hat erfahren, dass du aufgewacht bist. Frag nicht, wie – ich habe ihm nichts erzählt. Er wünscht dich morgen Abend zu sehen. In seinen Gemächern.“
Angst strich mit kalter Hand über Leilas Rücken. Sie begriff, dass ihr keine Zeit mehr blieb, die Flucht aufs Genaueste zu planen. Es musste morgen geschehen.
„Du kannst dein Glück machen, Leila. Wenn du es klug anstellst, dann verbringst du die bevorstehenden Feierlichkeiten an Karims Seite - als seine
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