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Flucht aus dem Harem

Flucht aus dem Harem

Titel: Flucht aus dem Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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Favoritin. Und es liegt an dir, diese Position zu behalten“, fuhr Jamilah fort. „Alle Frauen hier kennen nur dieses eine Ziel, und für dich rückt es in greifbare Nähe. Nutze deine Chance.“
Leila nickte wie betäubt und hoffte, dass Jamilah nicht auffiel, welcher Tumult in ihrem Inneren tobte.
„Gut, ich wusste ja, dass du zur Vernunft kommen wirst.“ Jamilahs Stimme verriet ihre Zufriedenheit. „Ich habe viel vorzubereiten, aber ich komme morgen Abend zu dir und helfe dir, dich für Karim zurechtzumachen.“
„Danke“, brachte Leila heraus und ließ sich auf das Bett sinken.
„Du brauchst mir nicht zu danken, Kätzchen, du weißt doch, dass ich dich ganz besonders ins Herz geschlossen habe. Keiner anderen Frau würde ich es mehr wünschen, Kadine und vielleicht sogar Valide zu werden.“ Mit diesen Worten verließ Jamilah das Zimmer.
Leila schlang ihre Arme um den Oberkörper. Da fiel ihr das zusammengefaltete Bündel unter ihrem Kaftan ein, und sie zog es hervor. Das ist meine Chance auf eine Zukunft in Freiheit , dachte sie, während sie auf den schwarzen Stoff starrte. Mit deiner Hilfe werde ich mich nie wieder Befehlen beugen und meine eigenen Wünsche verleugnen müssen.
Eine Art Rausch ergriff von ihr Besitz, als sie über alle Möglichkeiten nachdachte, die sich ihr eröffneten. Und dieser Rausch verdrängte die Angst, dass ihr Vorhaben scheitern könnte.
Leila schob einen Hocker an ihren Frisiertisch und öffnete das kleine goldene Kästchen. Sie würde die Schatulle nicht mitnehmen, ihren Inhalt allerdings sehr wohl. Die Juwelen waren der Garant für einen sorgenfreien Beginn ihres neuen Lebens.
Sie ließ ihren Blick durchs Zimmer wandern. Sonst würde sie nichts mitnehmen. Keines der kostbaren Gewänder, keinen der zierlichen Flakons, nicht ein Paar der bestickten Pantoffeln. Erinnerungen würden sie begleiten, ob sie wollte oder nicht. Das brachte ihr zu Bewusstsein, dass sie sich von ihrer Mutter verabschieden musste.
Ein seltsames Gefühl erfasste sie bei diesem Gedanken. Schmerz war es nicht, denn seit sie vor zwölf Jahren im Palast angekommen waren, hatten sich Mutter und Tochter immer weiter von einander entfernt. Seit sie selbst zur Frau geworden war, und in den Augen ihrer Mutter deren ehrgeizige Pläne zunichte gemacht hatte, war die Kluft zwischen ihnen nicht mehr zu überbücken. Dennoch empfand Leila Wehmut, Anwar hier zurücklassen zu müssen.
Der Raum ihrer Mutter wurde nur durch eine flackernde Öllampe erhellt. Anwar wandte den Kopf. Ihre Augen wirkten verhältnismäßig klar, wie Leila beim Näherkommen erleichtert feststellte.
„Sei gegrüßt“, sagte sie leise und setzte sich aufs Bett. Langsam ergriff sie die Hände der Mutter. Sogar Anwars Finger waren angeschwollen, und statt der Knöchel zeigten sich auf ihrem Handrücken kleine Grübchen. Ihre Hände fühlten sich weich und substanzlos an, als hätten sich die Knochen längst aufgelöst.
„Mein Kind, welche Freude, dass du mich endlich besuchen kommst.“ Nie konnte sie sich daran erinnern, dass Leila jeden Tag zu ihr kam und einige Zeit bei ihr saß. Opium und Haschisch hatten ihren Geist verwirrt. Mit ziemlicher Sicherheit würde sie auch diese Unterredung bald vergessen haben.
„Mutter, ich werde weggehen.“ Selbst wenn ihre Flucht scheiterte, war das nicht gelogen. Denn dann würde man sie in ein dunkles Verlies sperren, vermutlich sogar exekutieren. So oder so, sie würde ihre Mutter nicht wiedersehen.
Anwar nahm die Nachricht völlig ruhig auf, als hätte sie bereits damit gerechnet. „Du hast eine gute Entscheidung getroffen, mein Kind. Ich habe dir immer geraten, den Harem zu verlassen. Suche deinen Großvater auf, er wird dir sicher helfen. Er mochte dich sehr, daran kannst du dich bestimmt noch erinnern.“
Leila nickte, obwohl die Erinnerung an ihren Großvater mehr als verschwommen war. Ein großgewachsener Mann mit schütterem, graugesträhntem Haar, der leicht nach vorne gebeugt ging und immer nach Pferden und Tabak roch. Als kleines Mädchen hatte sie immer die Nase gerümpft, wenn er sie auf seine Knie hob oder sie auf eines seiner riesigen Pferde setzen wollte. Im Grunde war sie froh gewesen, von ihm fortzukommen.
Und obwohl fest zur Flucht entschlossen, hatte sie noch nicht darüber nachgedacht, wie es danach weitergehen sollte. Ihre Mutter hatte keine Verwandten, also konnte sie nur in das Haus ihres Vaters zurückkehren. Ob sie dort allerdings willkommen sein würde, blieb

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