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Flucht aus dem Harem

Flucht aus dem Harem

Titel: Flucht aus dem Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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vielleicht doch eine Chance haben könnte. Sie begann von einer Familie zu träumen, von einem Platz, an den sie gehörte und von einem Mann, der sie liebte. Und sie spürte, Justin ging es ähnlich. Zwar sprach er es nicht mehr laut aus, aber sie las es in seinen Augen und in den vielen kleinen Gesten des täglichen Zusammenlebens.
Ein winziger Funke Vorfreude begann in Leila zu glühen und wuchs mit jeder Zärtlichkeit, mit jeder nebensächlichen Aufmerksamkeit, die Justin ihr schenkte. Dieser Funke ließ alle möglichen Probleme und Schwierigkeiten unwichtig erscheinen und brachte sie dazu, sich in rosaroten Zukunftsplänen zu verlieren. Das Schicksal hatte ihr die Wahl abgenommen, und sie begann die Aussicht darauf, ihr Leben an der Seite Justins zu verbringen, nicht nur zu akzeptieren, sondern sich danach zu sehnen.
Deshalb traf es sie auch wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als sie eines Morgens bemerkte, dass ihre monatliche Blutung eingesetzt hatte. So saß sie mit hängendem Kopf auf dem Bett, erschlagen, von der Gewissheit, dass sie bloß einem schillernden Traum nachgehangen hatte. Und dass sie nichts mehr an Justin band.
„Komm, schnell, wir laufen in den Hafen ein!“ Justin steckte seinen Kopf zur Kabinentür hinein. „Zieh dich an, das musst du sehen.“
Sie nickte wie eine Marionette. Glücklicherweise schlug er die Tür wieder zu, ohne darauf zu warten, dass sie ihm folgte. Leila starrte auf ihre ineinander verschränkten Finger. Es gab keinen Grund mehr, bei Justin zu bleiben. Keinen, außer der Gewissheit, dass ihr Herz brechen würde, wenn sie ging. Aber das reichte nicht aus, ihn an sich zu binden, wenn die Zukunft so ungewiss und die Vergangenheit so bedrohlich war.
Sie raffte ihre Habseligkeiten zusammen, zog den weiten schwarzen Mantel an und verbarg das Bündel darunter. Den Schleier hatte sie nur locker um die Schultern gelegt. An der Tür warf sie einen letzten Blick zurück auf den kargen Raum, in dem sie einige so unbeschreiblich glückliche Tage verbracht hatte. Dann wandte sie sich um und zog die Tür hinter sich ins Schloss.
Als sie an Deck erschien, hatte die „Sea Witch“ gerade angelegt. Die Mannschaft eilte bereits geschäftig über die Planken, die das Schiff mit den Themsedocks verband. Kisten und Fässer türmten sich entlang der Kaimauer, Geschäftsleute standen in kleinen Gruppen daneben, in lebhafte Diskussionen verstrickt. Beladene Fuhrwerke warteten neben Mietkutschen und privaten Gefährten.
Leila ließ ihre Blicke über das bunte Treiben wandern und zuckte zusammen, als ihr Justin den Arm um die Schulter legte.
„Wir sind da. Wir sind zu Hause.“ Seine Begeisterung drang aus jeder Pore. „Ich bin schon so neugierig, ich kann es gar nicht erwarten, zu sehen, was sich alles verändert hat.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er sie enger an sich. „Ich werde den Kapitän bitten, unsere Sachen an Deck bringen zu lassen und eine Kutsche zu holen.“
Unsere Sachen. Er hatte sie seit jener Nacht nicht mehr nach ihrer Entscheidung gefragt, ganz offensichtlich ging er davon aus, dass alles klar war. Leila schluckte ihren Unmut hinunter und zwang ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Das ist eine gute Idee.“
Er rieb ihren Oberarm unter der dünnen Galabea. „Ist dir kalt? Du zitterst ja!“
„Das ist nur die Aufregung“, wich sie aus. „Obwohl es hier tatsächlich ein bisschen kühl ist.“
„Ich hole dir meinen Mantel“, sagte er eifrig und wandte sich ab.
Leila blickte ihm nach, und der Schmerz ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen. Ohne es zu ahnen, hatte er soeben die Tür zu ihrer gemeinsamen Zeit zugeschlagen.
Sie zog den Schleier über ihren Kopf und steckte ihn seitlich fest, damit er ihr Gesicht frei ließ. Mit wenigen Schritten erreichte sie die Planke, kurz darauf hatte sie die „Sea Witch“ verlassen. Niemand schenkte ihr Aufmerksamkeit, niemand hielt sie auf.
Sie mischte sich unter das Volk, das die Docks bevölkerte und steuerte den Platz an, auf dem die Mietkutschen standen. Unweit des ersten Wagens in der Reihe unterhielten sich die Lenker lautstark miteinander und schenkten ihr keine Beachtung.
Leila straffte sich und fixierte einen der Männer so lange, bis sich die ganze Gruppe zu ihr umdrehte. Dann nannte sie ihr Fahrziel und zog gleichzeitig ihre Hand, in der sich einige Geldscheine befanden, aus den Tiefen des Mantels. Die Augen der Männer saugten sich daran fest, einer sprang vor und verbeugte sich tief vor ihr.
„Mylady, wenn Sie mir folgen

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