Flucht aus dem Harem
nicht befragt?“, erkundigte sich Serena ruhig.
„Lady Dexter, ich bitte Sie. Sie wissen doch, wie solche Dinge in unseren Kreisen geregelt werden. Und in diesem Fall ist die Sache außerdem sehr heikel. Niemand weiß genau, was der armen Kate in der Vergangenheit widerfahren ist. Diese Eheschließung dient ihrem eigenen Wohlergehen. Der Earl ist nicht in der Lage, schützend seine Hand über sie halten - in seinem gebrechlichen Zustand.“
Serena verzog das Gesicht. „Sie brauchen mir nichts vorzumachen, Sir Vaughn. Kürzen wir diese Farce ab, mir wird übel, wenn ich mir all das noch länger anhören muss. Lady Katherine befindet sich in meinem Haus. Aus eignem Willen.“ Sie hob die Hand, da der Mann auffahren wollte. „Im Übrigen ist sie volljährig und bei geistiger Gesundheit, jeder Arzt wird das bestätigen können. Und nein, sie hat nicht die Absicht, Ihren Antrag anzunehmen, Sir Vaughn.“
„Das will ich von ihr selbst hören.“ Speicheltröpfchen hingen an Sir Vaughns Lippen.
„Nein. Sie will und wird nicht mit Ihnen sprechen. Es muss Ihnen genügen, dass allein der Gedanke, Ihre Frau zu werden, ihr so …“ Sie machte eine effektvolle Pause. „… widerwärtig ist, dass sie bei Nacht und Nebel das Haus verlassen und bei mir Zuflucht gesucht hat.“
Sir Vaughns Gesicht hatte sich bei diesen Worten dunkelrot verfärbt. Er schnappte nach Luft wie ein Karpfen auf dem Trockenen. „Wer glauben Sie, wer Sie sind, Lady Dexter, dass Sie sich erlauben, so mit mir zu reden? Sie vergessen sich. Sie vergessen auch, dass Sie selbst eine Fremde hier sind und bar jeden männlichen Schutzes.“
Serena verschränkte die Arme vor der Brust. „Soll das eine Drohung sein?“, fragte sie kalt.
„Der Earl hat Kate sein Haus verboten“, sagte Sir Vaughn statt einer Antwort. „Wenn sie mich nicht heiratet, hat sie niemanden mehr. Sie ist ein Nichts. Der Earl wird sie enterben und sich von ihr lossagen.“
Serena griff nach dem Klingelzug. „Ich nehme an, dass Kate es vorzieht, lieber ein Nichts zu sein, als Ihre Frau zu werden. Leben Sie wohl, Sir Vaughn. Cresswell wird Sie hinausbegleiten.“
Der Butler öffnete die Tür und sah Vaughn mit einem kühlen Blick an. „Wenn Sie mir bitte folgen würden.“
Sir Vaughns Finger krampften sich um seinen Hut. „Das wird Ihnen noch leid tun, Lady Dexter. Mir scheint, Sie wissen nicht, wie Sie Ihre Prioritäten zu setzen haben. So gefestigt, wie Sie offenbar glauben, ist Ihre Position hier nicht.“
Cresswell griff nach Vaughns Oberarm. „Folgen Sie mir bitte.“
„Was fällt Ihnen ein, Sie …“
Die Tür hinter Vaughn fiel ins Schloss, und Serena sank auf den nächsten Stuhl. Ihre Handflächen waren feucht, und ihr Herz raste. Sie wünschte, Sir Vaughns Drohungen würden sie kalt lassen, aber so war es nicht. Der Mann besaß eine Menge Freunde in der Gegend, und die Leute hier hielten zusammen, vor allem gegen eine Fremde, eine Außenseiterin wie sie.
Egal, fürs Erste war die Gefahr gebannt. Sie legte die Finger an die Stirn und versuchte sich zu beruhigen. Wenn sie Kate gegenübertrat, musste sie Souveränität und Zuversicht ausstrahlen. Wenn das Mädchen auch nur ahnte, dass ihre Anwesenheit zu Problemen führen konnte, dann würde sie mit Sicherheit auf der Stelle zu ihrem Großvater zurückkehren und womöglich diesen widerlichen Vaughn heiraten.
Serena blieb noch ein paar Minuten sitzen, um sich zu sammeln. Dann atmete sie tief durch, stand auf und ging zu Kate ins Frühstückszimmer zurück. Mit strahlendem Lächeln rief sie: „Er ist weg und er wird auch nicht wiederkommen, es ist alles in Ordnung.“
Kate schloss die Augen und lehnte sich sichtlich erleichtert auf dem Sofa zurück. „Wundervoll. Wie soll ich dir nur danken?“ Sie öffnete die Augen wieder und blickte Serena neugierig an: „Was hast du ihm gesagt?“
„Dass du volljährig bist und dir dein Großvater keine Vorschriften zu machen hat.“
„Und das hat er einfach so geschluckt?“
„Mehr oder weniger.“ Serena setzte sich neben Kate. „Er sagte, dass dich dein Großvater enterben und verstoßen wird, wenn du ihn nicht heiraten wirst.“
„Damit kann ich leben.“ Sie seufzte. „Ich weiß nicht, wonach ich gesucht habe, als ich nach Hayden Manor gekommen bin. Aber dort habe ich nichts als Kälte und Hass vorgefunden. Er hat mich bestohlen, stell dir das vor. Mein eigener Großvater, mein letzter lebender Verwandter hat meine Sachen durchwühlt und mir meinen einzig wertvollen Besitz
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