Flucht aus dem Harem
sie gut gelaunt.
Kate hob die Schulten. „Konversation machen, nichts weiter.“
„Ich wünschte, du würdest mir endlich die Wahrheit sagen“, entgegnete Serena und nahm Lord Sheridan das Glas ab, das er ihr gebracht hatte. Seine Anwesenheit beschränkte die Unterhaltung auf unverfängliche Themen.
Kate verfolgte mit mäßigem Interesse, wie Serena mit Sheridan flirtete. Die Gesten und Blicke wurden im gleichen Maße feurig wie die Wortgefechte zweideutig. Keiner der beiden achtete auf sie. Infolgedessen bekam sie Gelegenheit, über Justins Worte nachzudenken. Den Schmerz, ganz alleine zu sein, werde ich nie vergessen. Sie erinnerte sich an seine hasserfüllten Beleidigungen vom vergangenen Abend. War Schmerz dafür verantwortlich? Oder doch nur verletzter Stolz?
Trotzdem suchte er ihre Nähe. Zuerst, um sich zu entschuldigen, dann um sie dazu zu bringen, an etwas zu denken, das sie um jeden Preis vergessen wollte.
Den ganzen Abend hindurch hatte sie seine Blicke gespürt, hatte gewusst, dass er sie beim Tanz beobachtete. In jeder Faser ihres Körpers erwachte die Erinnerung an seine Liebkosungen. An seinen Mund auf ihren Brüsten, seinen Händen auf ihrer Haut, sein hartes Glied, das so oft in sie eindrang, bis sie vor Lust zu bersten glaubte …
Dass er gegangen war, ohne Abschied, ohne ein Wort, sollte sie mit Erleichterung erfüllen, denn wenn er geblieben wäre, hätte sie einen Vorwand gesucht und gefunden, ihm nahe zu sein. Aber wie sollte sie ihm erklären, was geschehen war? Warum sie ihn belogen und verlassen hatte? Warum sie sich weigerte, sich ihm zu erkennen zu geben?
„Er ist es.“ Serenas Stimme riss sie aus ihren Überlegungen.
„Wer ist was?“, fragte Kate zerstreut.
„Lord Sheridan wird mein Liebhaber“, stellte Serena im Plauderton fest. „Er ist jung, sieht verteufelt gut aus und weiß, wie man eine Lady erfreut. Innerhalb und außerhalb des Schlafzimmers. Und er will keine Bindung. Er ist einfach perfekt.“
„Wenn du es sagst.“ Kate versuchte sich an einem missglückten Lächeln. Sie konnte keine Begeisterung aufbringen. „Fährst du mit zu ihm?“
„Heute Nacht?“ Serena lachte. „Nein, ein bisschen soll er noch schmoren. Auch wenn es mir schwer fällt, ihn auf Distanz zu halten. Sein Mund ist eine einzige Versuchung.“ Sie seufzte theatralisch und leckte sich die Lippen. „Der Wintergarten hier soll ganz außergewöhnlich sein, vielleicht bitte ich Ivo, mich bei der Besichtigung zu begleiten.“
Da Kate schwieg, runzelte Serena die Stirn. „Ravenhurst ist doch auch ganz passabel, findest du nicht? Und er tanzt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht.“
„Damit könntest du recht haben.“ Kate blickte zu dem eleganten jungen Mann, der ihr vom gegenüberliegenden Ende des Saales heiße Blicke zuwarf, während er sich mit einem Bekannten unterhielt.
„Ich würde dich nur ungern einsam wissen, während ich mich amüsiere“, fuhr Serena fort.
Kate zuckte zusammen. Einsam. Die Erinnerung an Justins Worte flammte erneut auf. Sie räusperte sich. „Mach dir keine Gedanken, mir geht es gut. Ravenhurst ist gerade auf dem Weg zu uns.“
„Dann will ich nicht länger stören.“ Serena erhob sich graziös und sagte zu Lord Ravenhurst. „Sie wissen nicht zufällig, wie man zum Wintergarten kommt?“
20
„ Und du irrst dich bestimmt nicht?“ Justin blickte Jimmy ungläubig an.
„Ich hab mich in den letzten beiden Wochen kein einziges Mal geirrt, Mylor’“, erwiderte Jimmy nicht ohne Stolz und betrachtete das Geldstück in Justins Hand begehrlich. „Die beiden Ladys waren immer dort, wo ich Ihnen gesagt hab, dass sie sein werden.“
Damit hatte er recht. Justin ließ die Münze in Jimmys Hand fallen. „Gut. Wir sehen uns morgen.“
Der Junge steckte das Geld in seine Tasche, vollführte eine übertriebene Verbeugung und schlenderte pfeifend aus dem Raum.
Justin erhob sich von seinem Platz hinter dem Schreibtisch und ging zum Fenster. Nach einem Besuch des Drury Lane Theaters in Begleitung von Lord Sheridan und Lord Ravenhurst planten Lady Dexter und Lady Dowbridge den Besuch von „Delilah’s Castle“.
Justin spürte, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach. In den vergangenen Tagen hatte er Ravenhursts Bemühungen um Leila mehr oder weniger belächelt. Sie wollte den charmanten Tänzer nicht. Das sah er in jeder Bewegung und in jedem Blick, den sie diesem Mann schenkte. Was nicht unbedingt bedeutete, dass sie ihn, Justin, wollte. Wie dem auch sei, er hatte
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