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Flucht aus dem Harem

Flucht aus dem Harem

Titel: Flucht aus dem Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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gefunden, wonach er suchte. Der Junge, der missmutig einen Stein vor sich herkickte, drehte sich um, als Justin ihn auf zwei Fingern herbeipfiff. Gemächlich schlenderte er heran.
„Wie heißt du, Kleiner?“
Der Junge bohrte die Fäuste in seine zerschlissene Hose. Schmutzspuren in seinem Gesicht verrieten, dass er mit Wasser und Seife nicht auf vertrautem Fuß stand.
„Jimmy.“
„Jimmy. Gut. Hast du Lust, dir während der nächsten paar Tage ein paar Mäuse zu verdienen?“, fragte ihn Justin.
„Käm’ drauf an, Mylor’“, nuschelte er.
„Im Haus dort drüben wohnt Lady Dexter. Ich will wissen, wohin sie abends ausgeht. Schaffst du es, das herauszubekommen, und mir mitzuteilen?“
„Kommt drauf an“, wiederholte der Junge.
Justin kramte nach einer Münze. „Hier. Wenn du es weißt, bekommst du eine weitere, und wenn die Lady tatsächlich dort war, noch eine. Sind wir im Geschäft, Jimmy?“
Der Junge nickte. „Wo finde ich Sie, Mylor’?“
„Beryl Hall am Alden Square, ich bin der Marquess of Wexford.“
„Ich werde zur Stelle sein, sobald ich was weiß, Lord Wexford“, sagte der Junge, ließ die Münze in der Tasche seiner schäbigen Jacke verschwinden und machte sich davon.
Justin blickte ihm nach und gab dem Kutscher das Zeichen zur Abfahrt.
Als er am Abend desselben Tages im Ballsaal des Earl of Comden stand, tat es Justin zum ersten Mal leid, dass er nicht auf Pete gehört und Tanzunterricht genommen hatte. Leila wirbelte mit wechselnden Partnern über das Parkett und amüsierte sich ganz offensichtlich bestens – ebenso wie Lady Dexter.
Bisher hatte sie ihn bis auf ein kühles Kopfnicken weitgehend ignoriert. Und seine Geduld neigte sich dem Ende zu. Er nahm ein Glas vom Tablett eines der bereitstehenden Diener und ging, als der Tanz zu Ende war, damit zu Leila. Sie setzte sich gerade auf einen zierlichen Sessel und fächelte sich mit dem Fächer Luft zu. „Lady Dowbridge, Sie sehen erhitzt aus. Gestatten Sie mir, Ihnen eine kleine Erfrischung zu reichen.“
Sie schaute zu ihm auf, und das Lächeln auf ihren Lippen verblasste. Fast nahm er an, sie würde ablehnen, aber dann griff sie doch nach dem Glas.
„Ich danke Ihnen, Lord Wexford.“ Sie nippte von dem Champagner. „Sie tanzen nicht?“
„Ich hatte keine Gelegenheit, es zu erlernen. Meine Gefangenschaft sah keine Tanzstunden vor. Und als ich hier in London ankam, war ich zu beschäftigt, um mich darum zu kümmern.“
Sie nickte, machte aber keine Anstalten, sich nach weiteren Einzelheiten zu erkundigen. Gut, dann eben nicht.
„Lord Dowbridge zu verlieren muss bestimmt ein großer Verlust für Sie gewesen zu sein.“ Seine Stimme verriet nichts von seiner Neugier.
Sie drehte das Glas in ihren behandschuhten Fingern. „Das war es in der Tat. Und ich werde noch sehr lange brauchen, um diesen Verlust zu überwinden“, sagte sie ruhig, blickte ihn aber nicht an.
„Das verstehe ich nur zu gut“, antwortete er. „Auch ich habe jemanden verloren. Den Schmerz, plötzlich ganz alleine zu sein, werde ich niemals vergessen.“
Ihre Wangen röteten sich, und sie trank hastig das Glas leer. „Ich habe Viscount Ravenhurst den nächsten Tanz versprochen, er kommt gerade. Wenn Sie mich bitte entschuldigen …“
Sie wollte aufspringen, aber er hielt ihre Hand fest und sah ihr in die Augen. „Ich werde warten, Lady Dowbridge, egal, wie lange es dauert.“
Der Puls in ihrer Halsgrube hämmerte ein so wildes Stakkato, dass er es nicht übersehen konnte. Wilde Freude breitete sich in ihm aus. Was auch immer sie vorhatte, er war ihr nicht gleichgültig.
Er ließ ihre Hand los und beobachtete mit einem Anflug von Eifersucht, wie Ravenhurst sie auf die Tanzfläche führte. Sie blieben neben Lady Dexter stehen, deren Partner Lord Ivo Sheridan war, ein gutaussehender, mit allen Wassern gewaschener Lebemann, berüchtigt ebenso für seinen Hang zum Spiel wie zu schönen Frauen.
Als die Musik einsetzte, erhob sich Justin und schlenderte hinter ein üppiges Blumenarrangement. Nach dem Tanz verbeugte sich Ravenhurst galant und brachte Leila zu ihrem Platz zurück. Mit einiger Befriedigung bemerkte Justin, dass sie sich nach ihm umsah. Auch als sich Lady Dexter neben sie setzte, fuhr sie fort, den Raum mit Blicken abzusuchen.
Justin lächelte und beschloss, dass der Moment gekommen war, das Fest zu verlassen.
Serena strich eine Locke aus ihrem erhitzten Gesicht und setzte sich neben Kate. „Was wollte Wexford? Sich noch einmal entschuldigen?“, fragte

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