Flucht aus der Zukunft
wieder gefangen. Aber es war zu spät. Helaine war eine scharfe Beobachterin menschlicher Reaktionen.
»Du kennst diesen Lanoy?« fragte sie.
»Zufällig habe ich einen der Zettel gesehen, Helaine. Sie sind weit verbreitet. Man geht auf eine Schnellbootrampe, und plötzlich kommt jemand auf einen zu und drückt einem so ein Ding in die Hand. Sicher hat Norm es auf die gleiche Weise bekommen.«
»Und es ist eine Anzeige der Zeitreise-Agenten, nicht wahr?«
»Ich habe keinen Grund, das anzunehmen«, sagte er gedehnt. Man sah ihm an, daß er log.
»Aber du stellst doch Nachforschungen über Lanoy an? Ich meine, wenn er sich wirklich verdächtig macht ...«
»Ja, wir überprüfen ihn. Und ich wiederhole, Helaine, daß wir bis jetzt noch keinen Grund zu der Annahme haben, Lanoy könnte mit den Zeitreisen zu tun haben.«
»Aber Beth Wisnack sagte, daß ihr Mann vor seinem Verschwinden dauernd von Lanoy sprach.«
»Wer?«
»Wisnack. Einer, der erst kürzlich den Sprung machte. Beth sagte mir rundheraus, daß Lanoy für Buds Verschwinden verantwortlich sei. Sie sagte auch, daß Norm bestimmt gehen würde.« Erregt rutschte Helaine auf dem Sessel hin und her. Das Gehirn des Stuhles nahm die Bewegung auf und begann sie wieder zu massieren.
»Wir können sehr leicht nachprüfen, ob Norm unter die Zeitreisenden gehen will«, meinte Quellen. Er drehte sich herum und hielt ihr eine Spule hin. »Hier ist eine komplette Aufzeichnung aller Zeitreisenden, die in der Vergangenheit registriert wurden. Die Liste wurde erst kürzlich für mich angefertigt, und ich hatte natürlich noch keine Zeit, sie vollständig durchzugehen. Sie enthält Hunderttausende von Namen. Aber wenn Norm den Sprung machte, werden wir es hier sehen.«
Er schaltete die Spule ein und begann sie durchzusehen. Halblaut murmelte er die alphabetisch geordneten Namen vor sich hin. Helaine saß steif da, während Quellen dem Buchstaben P immer näher kam. Ob er ihn fand?
Wenn Norm verschwunden war, mußte sich sein Name hier befinden. Sein Schicksal mußte hier zu lesen sein – sein Geschick und das ihre. Auf einer Kunststoffrolle. Sie würde erfahren, daß ihre Ehe dreihundert Jahre, bevor sie endete, zum Scheitern verurteilt war. Sie würde erfahren, daß der Name ihres Mannes vor Jahrhunderten eingetragen worden war – als der Name eines Flüchtlings aus dieser Zeit. Weshalb hatte man die Listen nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht? Sie wußte es. Weil die Erkenntnis auf den Betroffenen lasten würde, weil sie unter dem Schatten dieses Wissens aufwachsen müßten.
»Siehst du?« sagte Quellen triumphierend. »Er steht nicht auf der Liste.«
»Heißt das, daß er den Sprung nicht gemacht hat?«
»Ich würde es behaupten.«
»Aber kannst du sicher sein, daß wirklich alle Zeitreisenden registriert wurden?« fragte Helaine. »Was ist, wenn eine ganze Menge so davonkamen?«
»Möglich wäre es natürlich.«
»Und die Namen«, fuhr sie fort. »Wenn Norm in der Vergangenheit einen falschen Namen angab, dann würdest du ihn auch nicht auf der Liste finden. Habe ich recht?«
Quellen sah sie düster an. »Es besteht immer die Möglichkeit, daß er unter einem Pseudonym lebte«, gab er zu.
»Du weichst mir aus, Joe. Du kannst einfach nicht sicher sein, ob er die Reise machte. Auch nicht mit der Liste.«
»Und was soll ich tun, Helaine?«
Sie atmete tief ein. »Du könntest Lanoy festnehmen, bevor er Norm in die Vergangenheit schickt.«
»Ich muß Lanoy erst finden«, stellte Quellen fest. »Und dann muß ich ihm beweisen, daß er mit der Sache zu tun hat. Bis jetzt haben wir nicht den geringsten Beweis – nur deine Vermutungen.«
»Dann verhafte Norm.«
»Was?«
»Hänge ihm irgendein Vergehen an und sperre ihn ein. Gib ihm ein paar Jahre Therapieaufenthalt in einer Anstalt. Dann ist er aus dem Verkehr gezogen, bis die Zeitreise-Affäre vorbei ist. Nenne es meinetwegen Schutzhaft.«
»Helaine, ich kann das Gesetz nicht willkürlich anwenden. Auch nicht bei meiner Familie.«
»Er ist mein Mann, Joe. Ich will ihn behalten. Wenn er in die Vergangenheit zurückgeht, verliere ich ihn für immer.« Helaine erhob sich. Sie schwankte und mußte sich an Quellens Schreibtisch festhalten. Wie konnte sie ihm verständlich machen, daß sie sich am Rand eines Abgrunds befand? Wenn Norm den Sprung wagte, war es ihr Tod. Sie kämpfte um ihren Mann. Und da saß ihr Bruder, hüllte sich in sein Mäntelchen der Selbstgerechtigkeit und tat nichts, während
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