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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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'Persönlichen Tagebuch-Filme', wie ich sie nenne. Ich hab' ein paar an die PBS verkauft. Mache alle Arbeit allein. Das ist eben meine Version des Solokletterns.«
    »Schön. Aber schneid' den Teil raus, wie ich scheiße, ja?«
    »Klar, mach' dir keine Sorgen. Ich muß nur alles aufs Band kriegen, was ich kann, verstehst du, damit ich hinterher möglichst viel Material zur Verfügung habe. Und ich weiß mit allem etwas anzufangen. Deshalb habe ich auch diese Linse. Nur die neueste Ausrüstung für mich. Du wirst nicht glauben, was ich alles für Sachen habe.«
    »Ich glaub's dir.«
    Er kaute auf seiner Zigarre. »Nenn' mich einfach Mr. Abenteuer.«
    »Werd' ich.«

4

    Ich sah Freds und Kunga Norbu in Namche Bazaar nicht mehr und vermutete, daß sie schon mit Freds' englischen Freunden aufgebrochen waren; wahrscheinlich würde ich sie erst in der Nähe ihres Basislagers wiedersehen, denn ich wollte mit meiner Gruppe ein paar Tage in Namche bleiben, damit sie sich akklimatisieren und die Stadt genießen konnte. Namche ist die Hauptstadt der Sherpas, und eine dramatisch gelegenere Stadt kann man sich kaum vorstellen; sie kauert auf einem Vorgebirge über dem Zusammenfluß des Dudh Kosi und des Bhote Kosi, und die Flüsse liegen etwa anderthalb Kilometer tiefer in steilen grünen Schluchten, während weiße Gipfel sich überall um sie herum fast zwei Kilometer hoch auftürmen. Die Stadt selbst ist ein hufeisenförmiger Ring aus steinernen Gebäuden und steinernen Straßen, auf denen sich Sherpas, Trekker, Bergsteiger und Händler drängen, die zum wöchentlichen Markt kommen.
    Hier kann man einiges erleben, und ich war vollauf beschäftigt; ich vergaß Freds und die Engländer völlig und war daher ziemlich überrascht, als ich ihnen in Pheriche über den Weg lief, einem Hochgebirgsdorf der Sherpas.
    Die meisten dieser hochgelegenen Dörfer sind nur im Sommer bewohnt; die Einheimischen pflanzen dort Kartoffeln an und weiden Yaks. Pheriche jedoch liegt an der Trekkingroute zum Everest, und so ist es fast das ganze Jahr über bewohnt, und man hat dort ein paar Lodges errichtet und die einzige Hilfsstation der Himalayan Rescue Association. Es sieht noch immer wie ein Sommerdorf aus: niedrige Felswände trennen Kartoffelfelder voneinander ab, und ein paar Steinhäuser mit Schindeldächern sowie die Lodges und Baracke der Hilfsstation mit ihrem Blechdach. Das alles drängt sich am Ende eines flachen Gletschertals zusammen, auf einer einhundertundfünfzig Meter hohen Seitenmoräne. Ein Fluß schlängelt sich daran vorbei, und der Boden ist mit Gräsern und dem hellen Herbstrot der Berberitzensträucher bedeckt. Auf allen Seiten türmen sich die phantastischen weißen Spitzen einiger der eindrucksvollsten Gipfel der Erde auf – Ama Dablam, Taboche, Tramserku, Kang Taiga; und alles in allem ist es schon ein toller Ort. Meine Kunden überschlugen sich, um alles zu filmen.
    Wir errichteten unser Zeltdorf auf einem unbenutzten Kartoffelfeld, und nach dem Abendessen taten Laure und ich uns dadurch, um im Himalaya Hotel ein paar Chang zu trinken. Ich betrat die kleine Küche der Lodge und hörte Freds »He, George!« rufen. Er saß mit Kunga Norbu und vier Touristen zusammen; wir gesellten uns zu ihnen und drängten uns um einen kleinen Tisch. »Das sind die Freunde, mit denen wir klettern.«
    Er stellte sie vor, und wir schüttelten uns die Hände. Trevor war ein großer, schlanker Bursche mit einer Brille mit runden Gläsern und einem ziemlich irren Grinsen. »Mad Tom«, wie Freds ihn nannte, war klein, hatte einen Lockenkopf und sah ganz und gar nicht verrückt aus, obwohl etwas an seiner ruhigen Art einen schon glauben machen konnte, daß er es war. John war klein und kompakt, mit einem schon angegrauten Bart und einem kräftigen Händedruck. Und Marion war eine große und ziemlich attraktive Frau, obwohl sie wahrscheinlich errötet wäre oder einen freundlich geknufft hätte, wenn man es ihr gesagt hätte – attraktiv auf eine grobe, ungestüme Art, mit einem starken, strengen Gesicht und dichtem braunem, zurückgekämmtem und geflochtenem Haar. Sie waren Engländer, was man auch sofort an ihrem Akzent merkte: Marion und Trevor ziemlich elegant – Privatschule –, und John und Mad Tom sehr breit und aus Nordengland.
    Wir bestellten Chang, und sie erzählten mir von ihrer Kletterpartie. Der Lingtren, ein steiler Gipfel zwischen dem Pumori und dem westlichen Ausläufer des Himalaja, ist ein ziemliches Stück Arbeit, von

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