Flucht aus Katmandu
Videokameras. Laure trug neun.
Als wir schließlich die erste neue Brücke erreichten, sahen wir aus wie beim Rückzug von Moskau. Diese Brücken sind ziemlich hübsche Beispiele hinterwäldlerischer Baukunst; da es in dieser Gegend keine Baumstämme gibt, die lang genug sind, um den Fluß zu überbrücken, nehmen sie vier Stämme, schieben sie in den Fluß und verankern sie mit einem großen Stapel runder Steine. Dann schieben sie vier weitere Stämme von der anderen Seite heran, bis ihre Enden auf denen der ersten vier liegen. Es funktioniert, aber die Brücken wirken nicht gerade vertrauenseinflößend.
Unsere Gruppe musterte diese erste Brücke furchtsam. Arnold tauchte hinter uns auf und kaute auf einer nicht angezündeten Zigarre, während er die Szene filmte. »Die Todesbrücke«, sprach er ins Mikro seiner Kamera.
»Arnold, bitte«, sagte ich. »Verpiß dich.«
Er ging zu dem grauen Gletscherwasser des Flusses hinab. »He, George, glaubst du, ich könnte ins Wasser, um die Überquerung besser filmen zu können?«
»NEIN!« Ich stand schnell auf. »Ein Schritt in den Fluß, und du ertrinkst. Sieh dir die Fluten doch mal an!«
»Na schön, schon gut.«
Jetzt starrte der Rest der Gruppe mich entsetzt an, als sei ihr nicht schon auf den ersten Blick klar gewesen, daß ein Sturz in den Dudh Kosi in der Tat ein sehr fataler Fehler sein würde. Ziemlich viele von ihnen krochen schließlich auf Händen und Knien über die Brücke. Arnold hielt sie alle für die Nachwelt fest und filmte seine eigene Überquerung, indem er sich immer wieder im Kreis drehte, wobei ich jedesmal zusammenzuckte. Insgeheim verfluchte ich ihn; ich war mir ziemlich sicher, daß er genau gewußt hatte, wie gefährlich der Fluß war, und nur sichergehen wollte, daß auch alle anderen es erfuhren. Und kurz darauf – bei der nächsten Brücke, um genau zu sein – forderten die ersten Kunden, nach Lukla zurückgebracht zu werden. Nach Katmandu. Nach San Francisco.
Ich seufzte, als ich daran dachte. Und daran, daß das nur der Anfang war. Eben ein typischer Want To Take You Higher Ltd.-Videotrek. Plus Arnold.
3
Früh am nächsten Morgen erlebte ich Arnold wieder in Aktion, als ich sehr verkatert im Herzhäuschen, dem hinter dem Teehaus der Trekker liegenden Klosett, über dem ungesund feuchten Loch im Boden hockte. Ich hatte gerade mein Geschäft dort erledigt, als ich aufschaute und das große Glasauge einer Zoomlinse sah, das mich über die hölzerne Tür hinweg betrachtete.
»Nein, Arnold!« rief ich, während ich versuchte, meine Hand auf die Linse zu legen und gleichzeitig die Hosen hochzuziehen.
»He, ich will doch nur etwas Lokalkolorit reinbringen«, sagte Arnold und trat zurück. »Weißt du, die Leute sollen sehen, wie es wirklich ist, alle Einzelheiten und so weiter, und diese Klosetts sind schon wirklich toll. Exotisch.«
Ich bedachte ihn mit einem finsteren Stirnrunzeln. »Dann hättest du über Jiri anreisen sollen. In den Tieflanddörfern gibt es überhaupt keine Scheißhäuser.«
Seine Augen wurden rund, und er schob eine nicht angezündete Zigarre vom einen Mundwinkel in den anderen. »Und was macht man denn da?«
»Na ja, man geht einfach raus und sieht sich um. Sucht sich ein schönes Fleckchen aus. Da haben sie meistens ein Scheißfeld unten am Fluß. Richtig exotisch.«
Er lachte. »Du meinst, überall Haufen?«
»Ja, sowas in der Art.«
»Klingt ja toll! Vielleicht marschiere ich lieber zurück, anstatt zu fliegen.«
Ich musterte ihn und rümpfte die Nase. »Ein ernsthafter Filmemacher, was, Arnold?«
»Oh, ja. Hast du noch nie von mir gehört? Arnold McConnell? Ich drehe Abenteuerfilme für die PBS. Und manchmal für die Fremdenverkehrsämter der Skigebiete, Videoverleihe und so weiter. Skifahren, Hanggleiten, Kajakfahren, Parachuting, Bergsteigen, Skateboardfahren – das hab' ich alles schon gemacht. Hast du nie Der Mann, der den Sambesi hinabschwamm gesehen? Nein? Ach, der gilt schon als Klassiker. Einer meiner besten.«
Also hatte er gewußt, wie gefährlich der Dudh Kosi war. Ich sah ihn verächtlich an. Schwer zu glauben, daß er Abenteuerfilme drehte; er sah eher aus wie die Art von Hollywood-Produzent, über die man sich schlechte Witze erzählt. »Also drehst du wirklich einen Film über diesen Trek?«
»Ja, klar. Immer bei der Arbeit, höre nie auf damit. Bin ein Workaholic.«
»Brauchst du keine größere Crew?«
»Na, normalerweise schon, aber das hier ist eine andere Sache, einer meiner
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