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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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habe ich dir das nicht gesagt? Mann, ich habe jeden Morgen gefilmt, was die vier zum Frühstück gegessen haben. Von Marion zum Beispiel habe ich mehrere Stunden Material« – er seufzte – »und mein Gott, ich könnte sie zum Star machen. Auf jeden Fall könnte ich das Begräbnis notfalls von hier aus filmen; also geh' ich das Risiko ein. Mach' dir um mich keine Sorgen.«
    »Ich mache mir keine Sorgen um dich«, sagte ich. »Nimm mein Wort darauf. Aber ich wünschte, du würdest mit mir umkehren. Sie wollen dich hier oben nicht haben, und ich will dich hier oben nicht haben. Es ist gefährlich, besonders, wenn das Wetter sich verschlechtert. Außerdem brichst du den Vertrag mit deiner Reiseagentur, der besagt, daß du meinen Anweisungen auf dem Trek Folge zu leisten hast.«
    »Verklag mich doch.«
    Ich atmete tief ein.
    Arnold legte freundlich eine Hand auf meinen Arm. »Mach' dir nicht so viel Sorgen, George. Sie werden mich lieben, wenn sie erst Stars sind.« Er sah den Ausdruck auf meinen Gesicht und trat zurück. »Und du versuche ja keine Tricks mit mir, oder ich hänge dir eine Entführungsklage an den Hals, und du wirst nie wieder einen Trek führen.«
    »Bring' mich ja nicht in Versuchung«, erwiderte ich und kehrte zum Lager der Engländer zurück.
    Ich ging in ihr Zelt. Laure und Kunga Norbu hatte sich zu ihnen gesellt; es war ziemlich eng. »Kein Glück«, sagte ich. Es überraschte sie nicht.
    »Ein Superblutsauger«, bemerkte Freds fröhlich.
    Wir saßen da und starrten die blauen Flammen des Gaskochers an.
    Dann, wie es unter solchen Umständen meistens passiert, sagte ich: »Ich habe einen Plan.«
    Da uns nicht viele Möglichkeiten blieben, war er relativ einfach. Wir würden alle zum Lho La zurückkehren, und vielleicht sogar zum Basislager, damit Arnold dachte, wir hätten aufgegeben. Dort unten könnten die Engländer und Freds und Kunga Norbu dann in den Teehäusern von Gorak Shep neue Vorräte kaufen, und Laure und ich würden versuchen, Arnold aufzuhalten, indem wir ihm zum Beispiel seine Stiefel stahlen. Dann könnten sie an den Leitseilen wieder hinaufklettern und es noch einmal versuchen.
    Trevor schaute zweifelnd drein. »Es ist schwierig, hier hinaufzukommen, und wir haben nicht mehr viel Zeit, falls die andere Exepedition schon auf dem Nordgrat ist.«
    »Ich habe einen besseren Plan«, erklärte Freds. »Schaut mal, Arnold folgt euch Briten, aber nicht uns. Wenn wir vier vorgeben würden, wieder umzukehren, während ihr vier direkt den Westgrat angeht, würde Arnold euch folgen. Dann könnten wir vier uns den Diagonalgraben hinaufschleichen und euch überholen, indem wir die Hombein-Schlucht nehmen, was ja viel schneller geht. Ihr würdet uns nicht sehen, und wir wären vor euch oben bei der Leiche.«
    Niemand war von diesem Plan übermäßig angetan. Die Briten hätten Mallory gern selbst gefunden, das spürte ich deutlich. Und ich hatte nicht die geringste Absicht, noch höher zu steigen, als ich schon war. Ich war in der Tat sogar entschieden dagegen.
    Aber mittlerweile hatten sich die Briten fest darauf versteift, Mallory vor dem Fernsehen und der Westminster Abbey zu retten. »Das könnte klappen«, stimmte Marion zu.
    »Und wir könnten den Blutsauger auf dem Grat abschütteln«, fügte Mad Tom hinzu. »Das ist ein schwieriges Stück.«
    »Genau!« sagte Freds glücklich. »Laure, machst du mit?«
    »Was immer du wollen«, sagte Laure und grinste. Er hielt es für eine gute Idee. Dann fragte Freds auf Tibetanisch Kunga Norbu und erklärte uns, Kunga habe dem Plan seinen Segen gegeben.
    »George?«
    »Oh, Mann, nein. Ich würde ihn lieber irgendwie anders abschütteln.«
    »Ach, komm schon!« rief Freds. »Es gibt keine andere Möglichkeit, und du willst uns doch nicht im Stich lassen, oder? Hast du etwa kalte Füße?«
    »Er ist dein verdammter Klient«, stellte John klar.
    »Oh, Mann … Na schön.«
    Ich kehrte mit dem Gefühl zu unserem Zelt zurück, daß die Dinge wirklich außer Kontrolle gerieten. In der Tat war ich im Griff anderer Menschen Pläne gefangen, Pläne, die ich keineswegs billigte und die von Leuten geschmiedet worden waren, deren geistige Ausgeglichenheit ich bezweifelte. Und das alles auf einem Berg, auf dem über fünfzig Menschen gestorben waren. Es stank zum Himmel.

11

    Doch ich machte trotzdem mit. Am nächsten Morgen brachen wir das Lager ab und erweckten alle Anstalten, wieder umzukehren. Die Engländer gingen zum Westgrat und warfen Arnold düstere

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