Flucht aus Katmandu
blauen Kieseln und Felsbrocken flußabwärts.
Und am wichtigsten für das tägliche Leben dort ist, daß der Bach mit einer heißen Quelle beginnt, die wie die ewige Quelle festem Felsgestein entspringt. Das Loch, aus dem das Wasser herauskommt, war völlig kreisrund, und das Wasser dampft vor Wärme und hält die ganze Gegend feucht, so daß überall hellgrüne Farne und Moose wachsen. Mauern mit Gebetsmühlen und Mani-Steine und Gebetsflaggen stehen überall um die Quelle, und Gebetsräder drehen sich im Bach, Holz- und Blechzylinder, mit hellen Mandalas bemalt, die knirschend die Gebete mahlen. Moos hatte die geschwungenen Sanskrit-Buchstaben bedeckt, die man in die Mani-Steine und Felsen gemeißelt hatte, so daß ich fast den Eindruck hatte, als würde das Moos selbst Om mani padme hum buchstabieren. Alles in allem ein toller Ort.
Sie benutzten den Bach auch für ihre Wäsche, indem sie einen Teil des Wassers in einen geschwungenen Kanal umleiteten, der zu einem flachen Teich mit steinernem Grund und glattgeschlagenen Seiten führte. Hier wuschen die Leute an sonnigen Morgenden ihre Kleidung, hauptsächlich Frauen, wenngleich sich auch oft Mönche und andere Männer zu ihnen gesellten. Die Frauen kamen in ihren langen schwarzen Wickelkleidern mit bunten Schürzen; die Kinder hatten sie sich auf den Rücken gebunden, oder sie ließen sie frei herumlaufen. Die Luft dampfte, und die Sonne war warm auf der Haut, doch in den Schatten war es kalt, so daß das warme Wasser ein Segen war. Die Frauen trugen ihr Haar glatt und flach zurückgekämmt. Sie hatten zumeist die flachen Gesichter der Tibetaner, aber bei Frauen wie Sindu ließen sich auch Spuren aus Indien und anderen Orten finden; schließlich handelte es sich hier um einen Treffpunkt, auch wenn er versteckt in den Bergen lag. Nackte braune Füße im Wasser, die Kleider hoch um die Schenkel gezogen, braune Waden enthüllend, die härter als Baseball-Schläger waren, der Geruch von Milchtee und Rauch und Kräuterseife, der sich von den dampfenden, nassen Kleidern erhob, als sie sie auswrangen und auf dem flachen, glatten, schwarzen Steinboden auf beiden Seiten des Teiches schlugen – ja, der Wäscheteich war ein schöner Ort.
Und George schien es hier zu gefallen. Zumindest war er etwas besser gelaunt, wenn er des Morgens von dort zurückkam. Er ging mit Kusine Sindu und ihrem kleinen Jungen dorthin und paßte auf das Kind auf, während sie wusch, keine schwierige Aufgabe, da das Kind noch krank war. Und sie sprach auf Tibetanisch mit dem Kind, und George nickte, sagte »Ah so, ja, genau meine Meinung!«, worauf die Kusine und die anderen Frauen dann immer lachten.
Ich hatte mich bei Lhamo über Sindu erkundigt und erfahren, daß ihr Mann lebte; er war auf einer Handelsexpedition im Westen Nepals unterwegs. So etwas kommt in den Trans-Himalaja-Dörfern häufig vor, und als Ergebnis werden die Ehen dort oben ziemlich lasch gehandhabt. Junge, Junge, dachte ich also, als ich sah, wie George mit dem Kind spielte und Sindu ihn anlachte. Sieh dir das an!
Es war seltsam, sie zusammen zu beobachten. Manchmal schienen sie einander perfekt zu verstehen und gut zueinander zu passen – ein attraktives Paar, das über etwas lachte, was es gesehen hatte, und ich dachte, sieh an, George hat sich eine Sherpani-Freundin angelacht. Vielleicht seine Dakini, eine der weiblichen Gottheiten, die einen zur Weisheit führen. Nur ein paar Sekunden später schien sich dann, ohne jeden ersichtlichen Grund, ein Abgrund zwischen ihnen zu öffnen, der einem noch breiter vorkam, als es sich durch die unterschiedlichen Sprachen erklären ließ. Plötzlich wirkten sie dann wie Geschöpfe von verschiedenen Planeten, wie Fremde, die Gesten ausprobierten, um zu versuchen, ob sie verständlich waren. Doch selbst in jenen Augenblicken wirkten sie nicht unbeholfen – sollte sich eine Kluft zwischen ihnen befinden, schien sich keiner von ihnen besondere Sorgen zu machen, ob sie sich auch überbrücken ließ. Sie schienen zufrieden, auf der jeweils anderen Seite zu stehen und einander zuzuwinken.
Das war also hübsch anzusehen, und Lhamo und ich und die anderen Mädchen am Teich lachten ziemlich oft darüber. Doch mittlerweile war George immer noch krank, und die Kinder ebenfalls. Er hätte seine Pillen gleich in den Bach schmeißen können, soviel schienen sie geholfen zu haben. Er selbst wurde immer dünner, und ich bekam mit, daß er in den meisten Nächten hinausstürmen und im Dunkeln zu
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