Flucht aus Katmandu
gutes Zeichen, und als wir in das Büro dieses Burschen im Singha Durbar gingen und George fünfhundert Rupien auf seinen Schreibtisch legte und sagte: »Wir möchten Sie zum Essen einladen und Ihnen ein paar Fragen stellen, nichts Geheimes, nur ein paar hilfreiche Informationen!«, da schien der Mann tatsächlich interessiert zu sein. Er sah auf seine Uhr und sagte: »Nun ja, Sir, ich wollte gerade zum Essen gehen. Wenn Sie mich begleiten, will ich mein Bestes geben, Ihre Fragen zu beantworten, falls mir die Antwort bekannt ist.«
Also luden wir ihn zum Mittagessen ein, und er saß da und betrachtete uns leicht amüsiert. Ein kleiner Hindu-Beamter mit einem roten Punkt auf der Stirn und so weiter. Sein Name war Bahadim Shrestha, und er war unten im Terai geboren. Er hatte die Universität Tribhuvan in Katmandu besucht und war dann in die öffentliche Verwaltung gegangen. Das waren alles gute Zeichen, denn die meisten Verwaltungsbeamte im Singha Durbar waren Brahmin oder Chetri, geboren in Katmandu, und hatten ihre Jobs durch Familienbeziehungen bekommen, als leichte Art, Geld zu verdienen, ohne dafür arbeiten zu müssen. Bahadim stand außerhalb dieser Menge, und natürlich hatte er für seine Kollegen nichts übrig. »Die Armut und die schlechte Verwaltung sind die beiden größten Probleme Nepals«, sagte er, »und wir werden das erste niemals lösen, bevor wir nicht das zweite gelöst haben. Alle zwei oder drei Jahre kommen ausländische Verwaltungsexperten zu uns, um ein neues System zu entwerfen – Organisation, Beförderung, alles sehr genau und mit einer Punktbewertung, das endgültige Ende der Korruption, und das Palastsekretariat befiehlt uns, diese Systeme zu benutzen, und noch, bevor jemand sie verstanden hat, sind sie schon wieder in Vergessenheit geraten.« Er schüttelte verdrossen den Kopf. »Wir sind ein lebendiges Museum der Verwaltungssysteme.«
»Allerdings«; sagte George heftig. »Und wenn ich nun herausfinden will, wer im Singha Durbar für den Bau einer gewissen Straße verantwortlich ist?«
»Oh, Sir, da werden Sie im Singha Durbar niemanden finden!« Bahadim wirkte angesichts dieses Gedankens schockiert. »Dafür ist die Regierung zuständig.«
George und ich sahen einander an.
»Sie müssen wissen«, sagte Bahadim und rieb sich mit einem leichenschänderischen Vergnügen die Hände, »daß es in Nepal drei Machtzentren gibt. Singha Durbar und das Panchayat sind ein Zentrum, die ausländischen Hilforganisationen das zweite, und das Palastsekretariat, das direkt für König Birendra arbeitet, das dritte. Offiziell wurde nie geklärt, wer wofür verantwortlich ist, doch in der Praxis geschieht nichts ohne den König und seine Berater.«
»Aber was ist mit der Regierung?« sagte George und verzog angesichts der Arbeit, die wir verschwendet hatten, das Gesicht.
Bahadim breitete die Hände aus. »Die Panchayat-Regierung ist für Ihre Interessen nicht wichtig. Wie der König so oft sagt, im Panchayat-System besteht keine Gefahr, sich im Labyrinth der Demokratie zu verirren. Sie müssen sich mit der wirklichen Verwaltung befassen.«
»Aber das haben wir doch versucht!«
»Dann müssen Sie sich ans Palastsekretariat wenden.« Er sah die Verwirrung auf Georges Gesicht und zuckte die Achseln. »Es ist ziemlich verwirrend.«
»Sie machen Witze!« Ziemlich bald würde George seinen Kopf festhalten, damit er nicht explodierte. »Aber warum, Bahadim? Warum ist es so verwirrend?«
»Nun ja.« Bahadim zeichnete mit einem Finger Diagramme. »In der Verwaltung gibt es elf Ministerien und zwölf Ämter, denen Minister oder Direktoren vorstehen.
Alle haben Stellvertretende Direktoren, Amtssekretäre, Stellvertretende Amtssekretäre und Beamte, deren Ernennung im Amtsblatt bekanntgegeben wird. Aber es gibt keine Befehlskette. Jeder erstattet dem Vorgesetzten Bericht, der ihm genehm ist. Die Vorgesetzten geben Untergebenen auf allen Ebenen Anweisungen, ohne Wissen der direkten Vorgesetzten. Das schafft Probleme, und um sich mit denen zu befassen, wurden zahlreiche neue Positionen auf jeder Ebene geschaffen und besetzt, in den meisten Fällen ohne Wissen des Finanzministeriums. Die Zivilverwaltung wuchs daher so sehr, daß sich das Finanzministerium weigerte, den einzelnen Ämtern Geldmittel zukommen zu lassen und nur noch bei persönlich haftenden Beamten dazu bereit ist. Also wurde ein Finanzausschuß für die Zivilverwaltung gebildet, doch der gab nach einiger Zeit ohne greifbares Ergebnis seine
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