Flucht aus Korum
Körper. Gerrek stockte der Atem. Wild schlug er mit den Fäusten um sich, ohne den vermeintlichen Gegner damit allerdings zum Rückzug bewegen zu können.
Gerrek begann zu schwitzen. Unvermittelt sah er sich einem riesigen Auge gegenüber, das ihn tückisch anglotzte.
Mit beiden Händen packte er zu; seine Krallen drangen in die dicke, geschmeidige Haut ein, die ihn umgab.
»Du Narr«, stöhnte Gerrek dann so leise, daß niemand ihn hören konnte. Was auf ihm lag, war die leere Ballonhülle, und nur Vina trug die Schuld daran, daß er dies nicht sofort bemerkte. Sie hatte ihn völlig verwirrt.
Schnaubend verschaffte der Mandaler sich Platz. Der scheußliche Geruch von Salzwasser kitzelte ihn in der Nase. Tatsächlich war das Meer nur wenige hundert Schritte entfernt. Aber Gerrek sah noch etwas anderes, als er endlich freikam und von der Gondel sprang.
»Brrr«, machte er, schüttelte sich und richtete sich dabei zu seiner vollen Größe von fast acht Fuß auf. Die Frau, die unmittelbar vor ihm stand, war nur wenig kleiner als er und wirkte überaus gewalttätig. Der Blick ihrer dunklen, blutunterlaufenen Augen ließ ihn schaudern. Sie schienen ihn förmlich zu durchbohren.
Ein Schwerthieb mußte ihr vor langer Zeit das Kinn gespalten haben – der klaffende Spalt war von wildem Fleisch überwuchert. Von der Stirn bis quer über die Nasenwurzel zog sich eine dicke, bläulich verfärbte Narbe, die wie ein tiefer Kratzer wirkte.
Eine Amazone, dachte Gerrek entsetzt. Ausgerechnet.
Hinter ihr standen drei weitere Kriegerinnen, die Hände auf den Griffen ihrer Krummschwerter. Unwillkürlich tastete der Mandaler nach dem Heft seiner kurzen Waffe.
»Was suchst du hier?« fuhr das Weib ihn an. Ihr Blick verriet, daß sie ein Wesen wie den Beuteldrachen nie zuvor gesehen hatte.
»Pilze«, platzte Gerrek unvermittelt heraus.
Der Amazone schien es nicht zu behagen, daß sie zu ihm aufsehen mußte.
»Du sprichst mit Burra«, sagte sie und erwartete wohl, daß allein der Klang ihres Namens ihn in die Knie zwingen ließ. Irgendwann hatte der Mandaler diesen tatsächlich schon gehört, wenn er sich auch nicht entsinnen konnte, in welchem Zusammenhang. Deshalb begnügte er sich mit einem einfachen »Hmm«, was die Kriegerin dazu veranlaßte, ihn Wütend anzufunkeln.
Gerrek rümpfte die Nüstern und streckte seine beiden Reißzähne vor. Er hatte sich nie vor herrischen Weibern gefürchtet, aus diesem Grund lief er heute in der Gestalt eines flügellosen Drachen herum. Es war Burra anzusehen, daß sie sich am liebsten auf ihn gestürzt hätte Aber ehe sie ihre Gedanken in die Tat umsetzen konnte, erklang hinter dem Mandaler eine leise Stimme, die dieser sofort als die Vinas erkannte.
»Gerrek ist harmlos«, sagte die Hexe.
»Bist du seine Herrin?«
»Ja.«
»Dann sorge dafür, daß er mir die nötige Achtung zollt«
»Gerrek ist eigenwillig, aber treu und anhänglich. Wenn er etwas Falsches gesagt hat, meinte er es bestimmt nicht so.«
»Wäre er ein Mann, bekäme er meine Klinge zu spüren«, fauchte Burra. Gleichzeitig weiteten sich ihre Augen. Ramoa und Honga kamen ebenfalls unter der Ballonhülle hervor.
»Wer ist das?« wollte die Amazone sofort wissen.
»Ramoa – die Feuergöttin der Tau.«
»Nein.« Burra winkte heftig ab. »Nicht das Mädchen. Der Sklave.«
»Er nennt sich Honga«, antwortete die Hexe, »und ist ein Held, der zu seinem zweiten Leben wiedererweckt wurde.«
»Für einen Mann scheint er ungewöhnlich kräftig zu sein.« Burra ließ ihn nicht aus den Augen. »Doch weshalb seid ihr hier gelandet, in dem Gebiet, das der Zaubermutter Zahda untersteht?«
»Es dürfte gleich sein, wem wir unsere Botschaft überbringen«, sagte Vina. »Wichtig ist, daß schnell gehandelt wird. Wir kommen von den Blutigen Zähnen, wo Dutzende großer Medusen sich sammelten und in Richtung Süden flogen. Sie können morgen schon hier sein und diesen Abschnitt der Großen Barriere überschwemmen. Niemand weiß, welche Kräfte die Wesen der Finsternis beherrschen, die sie mit sich tragen.«
»Du selbst hast sie gesehen?«
»Ich war ihnen so nahe, wie ich es nun dem Hafen bin.«
»Die Luftgeister haben sich nie zuvor bis nach Korum gewagt.«
»Aber diesmal werden sie es, wenn wir ihnen nicht Einhalt gebieten.«
»Das sind große Worte, Hexe.«
»Die Kriegerinnen Zahdas und Zaems werden vereint kämpfen müssen, um gegen die Bedrohung zu bestehen. Vergeßt endlich die Fehde, deren wahren Grund niemand mehr
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