Flucht aus Oxford
um ein unglücklich verlaufenes Experiment eines unerfahrenen Mädchens handelt.«
»Wo mag sie die Drogen herbekommen haben? Was war es überhaupt? Heroin? Hier im Dorf gibt es keine Dealer, Inspector. Noch nicht.«
»Wir sind nur ein paar Kilometer von Oxford entfernt. Hier gibt es Autodiebe, mutwillige Zerstörer, Einbrecher und den ganzen sonstigen Abschaum modernen Lebens. Wie kommen Sie darauf, dass Sie hier gegen Drogendealer gefeit sind?«
»Mir gefällt die Vorstellung zwar überhaupt nicht, aber ich muss zugeben, dass Sie recht haben könnten«, sagte Tim steif.
»Eben, Sir. Sie sollten sich jetzt vielleicht um Mrs Fuller kümmern. Wir haben ihre Aussage aufgenommen, und ich könnte mir vorstellen, dass sie Ihre seelische Unterstützung brauchen könnte.«
»Das werde ich gern tun.«
Tim wandte sich von Donna ab und ging zur Tür. »Sie kann unmöglich allein gewesen sein«, sagte er. »Haben Sie versucht festzustellen, wer bei ihrem Tod noch hier war?«
Der Inspector antwortete nicht.
Hazel hatte die Ausstellungsräume verlassen und war ins Wohnhaus zurückgekehrt. Tim folgte ihr und fand sie in einem elegant eingerichteten Wohnzimmer (es fehlten nur die Preisschildchen, sonst hätte es wie einer der Ausstellungssalons gewirkt, dachte Tim), wo sie eben dabei war, sich einen großzügig bemessenen Whisky einzuschenken. Sie trug einen cremefarbenen Kaschmirpullover, einen kurzen grauen Flanellrock, Ballerinas und jede Menge schwerer Goldketten. Ihr gefärbtes Haar hatte den gleichen Ton wie ihr Pulli, Haut und Lippen waren stark geschminkt. Sie sah aus, als verbrächte sie den lieben langen Tag damit, nichts Anspruchsvolleres zu tun, als Hochglanzmagazine zu lesen. Tim musste zugeben, dass in ihrer Lässigkeit eine gewisse Attraktivität lag.
»Erklären Sie mir bloß nicht, dass es für einen Drink noch zu früh ist«, verteidigte sie sich, nachdem er sie offenbar ein wenig zu lang angesehen hatte. »Ich brauche das jetzt. Was ist mit Ihnen?«
Tim hätte gegen einen kleinen Whisky nichts einzuwenden gehabt, doch er dachte an den Rückweg mitten durch die Menge der Dorfbewohner. Sie würden mit Sicherheit seinen Atem wahrnehmen und ihre Bemerkungen darüber machen. »Lieber nicht«, lehnte er mit leisem Bedauern ab.
Hazel zündete sich eine Zigarette an und schob ihm das Päckchen hin. Er stellte fest, dass trotz der Tragödie, die sich zudem noch am frühen Morgen abgespielt hatte, ihre langen Fingernägel tadellos manikürt und knallrot lackiert waren. Im Gegensatz zu Donnas Fingernägeln wiesen sie nicht den geringsten Kratzer auf. Donna hatte sich die Nägel immer in den lächerlichsten Farben lackiert, und während der Arbeit im Garten sprang der Lack natürlich ab.
»Eigentlich habe ich das Rauchen aufgegeben«, erklärte er demütig, nahm das Päckchen, zog eine Zigarette heraus und zündete sie mit dem silbernen Tischfeuerzeug an. »Aber eine wird sicherlich nicht schaden. Danach höre ich wieder auf.«
»Wie Sie meinen«, antwortete Hazel. »Nehmen Sie das Päckchen doch einfach mit.« Sie achtete kaum auf das, was sie sagte, und blies einen Rauchschwall aus. »Und? Kennen Sie sie? Wie ist die kleine Schlampe bloß in unseren Ausstellungsraum gekommen?« Sie klang überrascht und entrüstet, als ob der Tod des Mädchens eigens geschehen wäre, um sie persönlich zu ärgern.
»So dürfen Sie sie nicht nennen«, wehrte Tim ab.
»Sie hatte hier nichts zu suchen.«
»Kann schon sein, aber das Mädchen ist tot«, erklärte Tim. »Und ja, ich habe sie gekannt. Sie hieß Donna Paige und wohnte in Broombanks. Soviel ich weiß, lebte sie allein und verdiente sich ein wenig Geld damit, anderer Leute Gärten zu pflegen.«
»Der Pöbel dort unten in Banks macht uns nichts als Ärger«, schimpfte Hazel. »Die Wohnungen hätten nie gebaut werden dürfen. Früher gab es hier ein gewisses soziales Niveau. Es war ziemlich überflüssig, solches Volk hier anzusiedeln.«
»Ich glaube kaum, dass irgendein Dorf ein Exklusivitätsrecht genießt«, wandte Tim ein. Hazels Attraktivität blätterte bereits. Unter dem gepflegten Äußeren verbarg sich eine scharfzüngige, vulgäre Frau. »Mit Sicherheit lebten hier auch schon früher immer die unterschiedlichsten Menschen. Landarbeiter, Großbauern, Lehrer und Geschäftsbesitzer.«
»Diese Zeiten sind längst vorbei«, sagte Hazel abweisend. »Jetzt gibt es nur noch sie und uns, Herr Pfarrer, ganz gleich, wie Sie darüber denken. Jedenfalls war es
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