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Flucht aus Oxford

Titel: Flucht aus Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Musikrichtung mit vielen Saiteninstrumenten, auf denen eifrig herumgesägt wurde. Ging er seinen Gefühlen jedoch ganz auf den Grund, wurde er sich bewusst, dass er sich vor dem fürchtete, was ihn dort drinnen vielleicht erwartete. Für Tim war es schon schlimm genug, wenn die Pfarrhauskatze eine tote Wühlmaus in die Küche schleppte und sie dort zerfleischt liegen ließ, doch die Ansammlung von Notfallfahrzeugen vor der Tür ließ auf weit Schlimmeres schließen.
    Er atmete tief durch, besann sich auf seine Berufung und klopfte an eine kleine Seitentür. Ein Polizist öffnete, musterte ihn von oben bis unten, sah sein Kollar und fragte: »Ja, bitte, Herr Pfarrer? Was wünschen Sie?«
    »Mrs Fuller hat mich angerufen und gebeten, sofort zu kommen.« Sein Sprüchlein klang zwar irgendwie unzulänglich, reichte jedoch aus, um ihn einzulassen.
    »Sie ist dort drinnen«, sagte der Polizist und zeigte auf eine weitere Tür. »Und fassen Sie bloß nichts an«, fügte er hinzu. »Wahrscheinlich spielt es keine Rolle, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Am besten Sie stecken die Hände in die Taschen.«
    Tim gehorchte zwar, fragte sich jedoch, wie er Hazel Fuller mit den Händen in der Tasche begrüßen sollte. Seiner Ansicht nach fehlte es dieser Haltung ohnehin an Würde, was nicht mit seinem geistlichen Beruf zu vereinbaren war.
    Die Scheunen und Anbauten der Fullers waren zu Ausstellungsräumen umgebaut worden, in denen man die zu verkaufenden Möbel und Objekte besichtigen konnte. Alles war so arrangiert, dass ein Besucher den Eindruck hatte, sich in einem gediegen eingerichteten Privathaus aufzuhalten; nur die dezent angebrachten Preisschilder wiesen darauf hin, dass es sich um ein luxuriöses Geschäft handelte. Im angrenzenden Raum – spätviktorianisch mit einigen Elementen aus der Zeit König Edwards, was Tim allerdings nicht erkannte – stieß er endlich auf Hazel Fuller, die unnatürlich aufrecht auf einem unbequem aussehenden Sofa saß.
    »Gott sei Dank, dass Sie endlich da sind«, begrüßte sie ihn. »Derek ist auf Geschäftsreise. Ich bin ganz allein.«
    Das Wort »allein« zeugte von einer gewissen Untertreibung, dachte Tim, denn in dem Ausstellungsraum standen mehrere Polizisten herum, murmelten in ihre Handys und beachteten weder Hazel noch ihn.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Tim.
    »Sie ist da drinnen«, sagte Hazel Fuller und wies auf die Tür zum nächsten Salon.
    Tim ging hin. Die Tür war nur angelehnt. Eingedenk der Weisung des Polizisten hatte Tim die Hände noch immer in den Taschen vergraben. »Wer ist es?«, fragte er. »Was ist mit ihr geschehen?« Er traute sich nicht, den Raum zu betreten, und sehen konnte er nichts als die Ecke eines mit rotem Brokat bespannten Knole-Sofas.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Als ich sie heute Morgen hier fand, habe ich sie zum ersten Mal gesehen.«
    Einer der Beamten gesellte sich zu Tim. »Ich bin Inspector Price, Sir, und nehme an, Sie sind der Gemeindepfarrer. Reverend Widdows, nicht wahr?«
    »Nennen Sie mich Tim«, antwortete Tim, ohne nachzudenken.
    »Gut, dass Sie so schnell kommen konnten, Sir«, entgegnete der Beamte, ohne auf die Aufforderung zu einer weniger formellen Anrede einzugehen. Er war ein großer, schwerer Mann, der sowohl aus seinem Erscheinungsbild als auch aus seinem Gesichtsausdruck alles verbannt zu haben schien, was die Bezeichnung ›Persönlichkeit‹ verdiente. Sein Haar war hellbraun und wurde langsam dünn, seine Gesichtszüge waren nichtssagend und seine Augen haselnussbraun. Er trug einen grauen Anzug und ein weißes Hemd mit blauer Krawatte. Unwillkürlich nahm Tim eine Hand aus der Tasche und berührte sein Kollar, als wolle er sich seiner Identität versichern. »Wir hoffen nämlich, dass Sie die Frau identifizieren können, sofern sie aus dem Dorf stammt, Sir.«
    »Wenn ich es kann, tue ich es natürlich gern«, erwiderte Tim mit nervöser Stimme. Es wurde also noch schlimmer, als er befürchtet hatte. Hazel hatte nichts davon gesagt, dass er eine Leiche identifizieren sollte. »Sie ist doch tot, oder?«, vergewisserte er sich.
    »Oh ja, Sir, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Der Arzt hat sie schon gesehen, aber da er nicht aus dem Dorf stammt, kannte er sie nicht.«
    »Was ist mit ihr passiert?«
    »Immer eins nach dem anderen, Sir«, sagte Inspector Price, stieß die Tür auf und begleitete Tim in den angrenzenden Raum.
    Zunächst wirkte die Szene auf diesen wie eine Theaterkulisse, wie

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