Flucht aus Oxford
absagen – ich glaube, um eine schwangere Tochter zu besuchen oder aus einem ähnlich langweiligen Grund. Jedenfalls wäre es jammerschade, wenn das Essen verderben würde, nicht wahr?«
»Lebensmittel verderben zu lassen war mir seit jeher ein Gräuel«, bestätigte Roz.
In diesem Moment kam Emmas Bestellung, und so nippten sie an ihrem Orangensaft und sprachen von anderen Dingen.
»Was war denn das gerade?«, fragte Kate, nachdem sie den Pub verlassen hatten und sich auf dem Heimweg befanden.
»Ich wollte unbedingt einmal einen Blick in das Innere dieses Hauses werfen. Also habe ich der alten Schachtel so lange Honig um den Mund geschmiert, bis sie uns eingeladen hat.«
»Ich halte sie für eine schreckliche, ausgesprochen herablassende Person.«
»Auf jeden Fall einmal etwas anderes als Alison und Ken. Ich hatte den Eindruck, dass du den Fannings gegenüber ein wenig kurz angebunden warst.«
»Scheißtypen!«, schäumte Kate. »Kaum ist das Mädchen tot, da kommen sie schon mit ihren Vorurteilen. Sie wohnt in einer Sozialwohnung, also ist sie zwangsläufig drogenabhängig. Sie ist arm, also stiehlt sie. Sie trägt kurze Röcke, also ist sie eine Nutte. Was immer mit ihr passiert ist, sie hat es bestimmt verdient.«
»Sie denken so, weil es bequemer ist. Wenn sie zugeben würden, dass es ein Zufall war, müssten sie befürchten, dass sie als Nächste dran sind. Es ist viel leichter, sich zu distanzieren und zu sagen: ›Unsereinem könnte das nicht passieren.‹ Lieber gehen sie davon aus, dass es nur Leute wie sie erwischt.«
»Sie sind nichts als eine Horde bigotter Spießer.«
Irgendwo machte ein Vogel ein Geräusch, als würde man mit einem stumpfen Messer über einen Teller fahren. »Sie haben Angst«, sagte Roz. »Wer weiß, was herauskommen würde, wenn die Polizei oder die liebe Verwandtschaft eines Tages anfinge, in ihrem Leben herumzustöbern. Es ist sicherer, die Sache auf sich beruhen zu lassen.«
»Scheißtypen!«, wiederholte Kate.
»Und was willst du dagegen tun?«
»Was schlägst du vor?«
»Vielleicht solltest du herausfinden, was wirklich geschehen ist.«
10
Als sie Crossways Cottage erreichten, sagte Kate plötzlich: »Warte mal!«
»Was ist?«
In der plötzlichen Stille hörten sie den weichen, hastigen Tritt von Turnschuhen auf der Straße. Der schwere Atem ließ auf jemanden schließen, der schnelles Laufen nicht gewöhnt war.
»Wer mag das sein?«, fragte Kate.
»Gut, dass ich Sie noch erwische!«, japste ihr Verfolger.
»Tim Widdows!« Roz fiel aus allen Wolken. »Verfolgen Sie uns etwa?«
»Ich wollte mit Ihnen über Donna reden.«
»Und was ist Ihre Theorie über ihren Tod?«, erkundigte sich Kate kühl. »Drogen? Alkohol? Sex?«
»Nein. Und genau darum geht es. Ich weiß, dass Sie das, was in der Buttery über sie geredet wird, nicht unterstützen, und wollte Ihnen sagen, dass es mir ebenso geht.«
»Ich habe Sie im Pub gar nicht gesehen«, stellte Kate fest.
»Ich habe mich bemüht, im Hintergrund zu bleiben. Es wird nicht gern gesehen, wenn sich der Pfarrer in aller Öffentlichkeit einen zur Brust nimmt.«
»Kommen Sie lieber rein«, schlug Roz vor. Sie öffnete die Tür und ging voraus. »Ich nehme an, dass es auch nicht gern gesehen wird, wenn sich der Pfarrer auf der Dorfstraße mit zwei ledigen Frauen unterhält. Kate, hör auf, dreinzuschauen, als wolltest du jemanden verprügeln! Mach uns lieber einen Kaffee.«
»Sei nicht so herrisch!«, fauchte Kate, setzte aber folgsam den Kessel auf. Eilig stellte sie Kaffeebecher, Milch und Zucker auf ein Tablett. Im Nachbarzimmer schien man sich äußerst angeregt zu unterhalten, und sie wollte nicht länger als nötig davon ausgeschlossen sein.
»Das kann doch nicht so schwierig sein, oder?«, sagte Tim Widdows gerade.
»Was kann nicht schwierig sein?«, fragte Kate, die soeben mit dem Tablett eintrat.
»Im Fernsehen geht es doch auch! Schließlich wissen wir, wie wir vorgehen müssen«, ereiferte sich Tim.
»Glauben Sie alles, was Sie im Fernsehen sehen?«, fragte Roz.
»Sicher! Sie etwa nicht?«
»Nicht alles.«
»Zumindest an Fernsehspiele und Filme glaube ich. Was die Dokumentationen angeht, bin ich mir nicht ganz so sicher. Jedenfalls bin ich der Meinung, wir sollten es tun«, erklärte Tim.
»Was tun?« Kate platzte fast vor Neugier. »Irgendwie gefällt mir nicht, was ich hier höre.«
»Ich finde, wir sollten herausfinden, was mit Donna passiert ist«, sagte Tim.
»Und ich stimme ihm voll
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